Archive for Mai 2021
bip: „Pflegefamilien werden in der Pandemie alleingelassen“
Umfrage unter Pflegeeltern offenbart fehlende Unterstützung und vereinzelte Leistungskürzungen in der Coronazeit
In der Corona-Pandemie stehen gerade Pflegefamilien besonderen Herausforderungen gegenüber. An Unterstützung mangelt es allerdings – trotz des staatlichen Auftrags – ganz erheblich, offenbart jetzt eine Umfrage unter Pflegeeltern.
Während 37 Prozent die Begleitung durch den zuständigen Pflegekinderdienst in der Pandemie als „hilfreich“ empfanden, bezeichneten 64 Prozent diese als „wirkungslos“. Die Erreichbarkeit ihrer Sachbearbeiter stuften die Teilnehmer im Mittelfeld ein. An der Online-Umfrage der Bundesinteressengemeinschaft der Pflegefamilienverbände (bip) beteiligten sich von Mitte März bis Mitte April 2021 insgesamt 784 Pflegeeltern aus dem gesamten Bundesgebiet.
„Insgesamt sind die Pflegefamilien in der Pandemie alleingelassen worden“, lautet das Fazit von Kerstin Held, Vorsitzende des Bundesverbandes behinderter Pflegekinder e.V. und Initiatorin der Umfrage. „Obwohl jede einzelne Familie Dienstleister mit einem Auftrag der öffentlichen Hand ist, werden sie weder ausreichend gesehen noch nennenswert aktiv unterstützt.“ Bundesweit leben weit über 90.000 Kinder in der Obhut von Pflegefamilien.
„Dass die Kinder durch das installierte System ‚Pflegefamilie’ eine ausreichende Betreuung und Versorgung erfahren, ist ein Trugschluss“, sagt Kerstin Held weiter. Sicherlich könnten sich Pflegefamilien bis zu einem gewissen Punkt selbst organisieren, doch bräuchten sie auch die Mittel dafür. „Bis auf das Kindergeld konnten Pflegefamilien keine Eltern- oder Betreuungsgelder abrufen, die vom Staat zur Verfügung gestellt wurden“, so Held. „In einigen Fällen wurden die Kindergeld-Sonderzahlungen bei der Grundleistung für das entsprechende Kind sogar wieder abgezogen.“
Weitere Ergebnisse der Auswertung:
In 96 Prozent aller Fälle erhielten die Familien keine Information zu Teststrategie und Beschaffung von Schnelltests. Sie erhielten keinerlei Coronabeihilfe, Kostenerstattung oder Hilfe zur Beschaffung von Hygieneartikeln und Masken.
17 Prozent der Familien beklagten bedrohliche Versorgungsengpässe bei Medikamenten, Hygienemitteln oder Hilfsmitteln (etwa bei Antiepilepsie-Medikamenten, Desinfektionsmitteln oder Magensonden).
Lediglich 25 Prozent aller befragten Pflegepersonen sind für die Priorisierung der Corona-Impfung erfasst worden. Fast alle Familien bemühten sich um die Erfassung eigenständig. Jede von ihnen musste für die Erfassung argumentieren. Nur eine Familie erhielt eine Bescheinigung des zuständigen Trägers für eine Impfung.
Der Anteil der Kinder in der Notbetreuung liegt bei 30 Prozent. Einigen Familien wurde die Notbetreuung verwehrt, da sie laut Aussagen der Träger selbst als Betreuungssystem mit öffentlichem Auftrag angesehen würden.
In eigenen Pflegefamilien kam es zu Leistungskürzungen durch die Verrechnung von Kindergeld-Sonderzahlungen oder zu massivem Ausfall von Betreuungszeiten. Nur selten konnte z.B. der Schulbegleiter zur Entlastung zuhause umgewidmet werden.
Die gesamten Ergebnisse der Umfrage lassen sich hier nachlesen:
https://bit.ly/3on8KRI
Über die BiP
Die Bundesinteressengemeinschaft der Pflegefamilienverbände (BiP) ist das gemeinsame Sprachrohr von PFAD Bundesverband der Pflege- und Adoptivfamilien e.V., dem Bundesverband behinderter Pflegekinder e.V. und der AGENDA Pflegefamilien. Sie setzt sich bundesweit für die Belange von Pflege- und Adoptivkindern und ihren Familien ein.
Kinderrechtsorganisationen fordern Änderungen beim Gesetzentwurf zur Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz

Berlin, den 17. Mai 2021// Anlässlich der heutigen Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags (wir berichteten) ruft das Aktionsbündnis Kinderrechte Bund und Länder dazu auf, tragfähige Lösungen für die bestehenden Kritikpunkte am aktuellen Regierungsentwurf zur Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz zu finden.
In ihren Stellungnahmen vor dem Rechtsausschuss begrüßten die geladenen Vertreter vom Deutschen Kinderhilfswerk und UNICEF Deutschland die konstruktive Debatte um den endgültigen Verfassungstext. Gleichzeitig appellierten sie an das Gremium, sich für einen Gesetzentwurf auszusprechen, in dem bestehende Unklarheiten und Defizite bereinigt sind.
„Bei der Formulierung der Kinderrechte im Grundgesetz muss es darum gehen, eine nachhaltige Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention sicherzustellen. Reine Symbolpolitik bringt uns hier keinen Schritt weiter. Deshalb braucht es einen eigenen Absatz für die Kinderrechte, die unabhängig von den Elternrechten gegen den Staat gelten. Dabei müssen die Kinderrechte auf Förderung, Schutz und Beteiligung sowie der Kindeswohlvorrang Grundlage der Normierung sein. Nur so werden wir es schaffen, kindgerechte Lebensverhältnisse und bessere Entwicklungschancen für alle Kinder zu schaffen, ihre Rechtsposition deutlich zu stärken, und Kinder an den sie betreffenden Entscheidungen zu beteiligen. Denn die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen ist ein zentraler Wert einer demokratischen Gesellschaft. Mit der Aufnahme der Kinderrechte im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention besteht die große Chance, langfristig eine wichtige Grundlage für ein kinder- und familienfreundlicheres Land zu schaffen. Diese Chance dürfen wir nicht verspielen“, betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes.
„Kinderrechte brauchen ein großes Ausrufezeichen im Grundgesetz, damit Kinder und Jugendliche gehört und ihre Belange ernst genommen werden. Die Covid-19-Krise zeigt uns deutlich, dass sie bisher zu häufig hintangestellt werden. Mit der Aufnahme der Kinderrechte in das deutsche Grundgesetz können Bund und Länder klarstellen, dass die Rechte von Kindern in Deutschland umfassend und verbindlich gelten. Dazu braucht es jedoch eine unmissverständliche und prägnante Formulierung, die nicht hinter die UN-Kinderrechtskonvention und die geltende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zurückfallen darf. Der aktuelle Gesetzentwurf der Bundesregierung sollte nun rasch überarbeitet werden, um diesen Anforderungen zu entsprechen,“ ergänzt Dr. Sebastian Sedlmayr, Leiter der Abteilung Politik und Advocacy, UNICEF Deutschland.
Hintergrund
Das Aktionsbündnis Kinderrechte (Deutsches Kinderhilfswerk, Deutscher Kinderschutzbund, UNICEF Deutschland in Kooperation mit der Deutschen Liga für das Kind) setzt sich für die vollständige Umsetzung der Kinderrechte in Deutschland und die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz ein.
Anfang des Jahres hat sich die Bundesregierung nach jahrelangen Diskussionen auf einen Gesetzentwurf zur Aufnahme der Kinderrechte in das deutsche Grundgesetz geeinigt. Das Aktionsbündnis Kinderrechte hat den vorliegenden Regierungsentwurf inhaltlich als unzureichend kritisiert und entscheidende Nachbesserungen gefordert. Der vom Aktionsbündnis Kinderrechte initiierte Appell „Kinderrechte ins Grundgesetz – aber richtig!“ wird von mehr als 100 Organisationen aus der Kinder- und Jugendhilfe, Medizin, Pädagogik und anderen Bereichen unterstützt.
Ansprechpartner*innen
Deutsches Kinderhilfswerk, Uwe Kamp, 030-308693-11, http://www.dkhw.de
Deutscher Kinderschutzbund, Paula Faul, 030-214809-20, http://www.dksb.de
UNICEF Deutschland, Jenifer Stolz, 030-2758079-18, http://www.unicef.de
Deutsche Liga für das Kind, Prof. Jörg Maywald, 0178-5339065, http://www.liga-kind.de
Bundestags-Ausschuss diskutiert über Kinderrechte im Grundgesetz

Berlin: (hib/MWO) Um die Aufnahme expliziter Kinderrechte in das Grundgesetz ging es in einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz am Montag. In der vom stellvertretenden Ausschussvorsitzenden Heribert Hirte (CDU) geleiteten Sitzung wurde die Zielsetzung des von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurfs (19/28138) überwiegend begrüßt, gleichzeitig machten die Sachverständigen in ihren schriftlichen Stellungnahmen auf eine Reihe ihrer Meinung nach vorhandener Mängel aufmerksam. Neben dem Regierungsentwurf lagen den sieben Experten und einer Expertin Gesetzentwürfe der Fraktionen FDP, Die Linke Bündnis 90/Die Grünen zu dem Thema vor (19/28440, 19/10622, 19/10552).
Florian Becker von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, verwies darauf, dass das Bundesverfassungsgericht mit Blick auf die UN-Kinderrechtskonvention (KRK) ausdrücklich festgestellt habe, dass diese als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes herangezogen werden kann. Allerdings werde die völkerrechtskonforme Auslegung der Verfassung und des einfachen Rechts der Bedeutung der Kinderrechte bisweilen nicht gerecht. Einzelne besonders wichtige Aspekte der KRK könne man daher auch in den Rang von Verfassungsrecht heben.
Auch nach Ansicht von Philipp Donath von der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main werden die Kernprinzipien der KRK in Deutschland nicht in allen Rechtsbereichen umgesetzt. Daher sollten die Kinderrechte im Grundgesetz sichtbar gemacht werden, die entsprechende Zielsetzung der Bundesregierung sei daher sinnvoll. Der vorgelegte Gesetzentwurf werde dem allerdings nicht gerecht und sei aus völkerrechtlicher und verfassungsrechtlicher Perspektive teilweise bedenklich. So könnte durch die Aufnahme des ausdrücklichen Kindergrundrechts in das staatliche Wächteramt ein rechtssystematischer Fehler begangen werden.
Gregor Kirchhof vom Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Finanzrecht und Steuerrecht der Universität Augsburg verwies auf die Entwurfsbegründung, wonach das „bestehende wohl austarierte Verhältnis zwischen Eltern, Kindern und Staat“ nicht zu verändern und die „Elternverantwortung nicht zu beschränken“ sei. Der Reformvorschlag diene so dem Kindeswohl. Er sei deshalb der beste Gesetzentwurf zu den Kinderrechten, der bisher in den Bundestag eingebracht worden sei. Er erfülle den heiklen verfassungspolitischen Auftrag, die Kinderrechte des Grundgesetzes „besser sichtbar“ zu machen, ohne dabei das Verhältnis zwischen Kindern, Eltern und Staat zu verändern.
Der Präsident des Deutschen Kinderhilfswerks, Thomas Krüger, begrüßte, dass die Bundesregierung kurz vor Ende der Legislaturperiode in Umsetzung des Koalitionsvertrags einen Gesetzentwurf zur verfassungsrechtlichen Verankerung von Kinderrechten vorgelegt hat. Auch Krüger kritisierte die gewählte Verortung der Kinderrechte im Regierungsentwurf inmitten des staatlichen Wächteramts und der Elternrechte. Dies sei „misslungen und gefährlich“ und könnte ein argumentativer Anknüpfungspunkt dafür sein, die Kinderrechte in unangemessener und gar nicht beabsichtigter Weise gegen die Eltern zu richten. Insgesamt sei der Regierungsentwurf ungeeignet, die Stellung von Kindern in der Praxis zu verbessern.
Thomas Mayen, Vorsitzender des Verfassungsrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins, befürwortete ausdrücklich die Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz, jedoch nicht in der von der Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf vorgesehenen Formulierung. Diese bleibe deutlich hinter den völkerrechtlich und europarechtlich verbürgten Rechten Minderjähriger zurück. Der Entwurf suggeriere zudem durch die Verwendung des Begriffs der elterlichen „Erstverantwortung“ einen Vorrang der Elternrechte nicht nur gegenüber dem staatlichen Wächteramt, sondern auch gegenüber dem Kindeswohl, was hinter der bestehenden Verfassungsrechtslage zurückbliebe.
Sebastian Sedlmayr vom Deutschen Komitee für UNICEF erklärte, der Regierungsentwurf sei in seinen Grundzügen geeignet, die Kinderrechte zu stärken, sollte aber insgesamt prägnanter und kompakter sein. Unverzichtbar sei eine Formulierung zum Kindeswohl beziehungsweise den Interessen des Kindes, welche nicht hinter die Maßgaben und den Geist der KRK zurückfalle. Die Verortung der Kinderrechte in den Grundrechtsartikeln des Grundgesetzes sollte nochmals eingehend geprüft werden. Offensichtlich sei, dass eine Engführung der Kinderrechte auf das Verhältnis zu den Eltern dem kinderrechtlichen Rahmen nicht gerecht wird. Das Wesen der Kinderrechte gehe über das innerfamiliäre Verhältnis hinaus.
Robert Seegmüller, Vizepräsident des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin, urteilte in seiner Stellungnahme, der Regierungsentwurf sei darum bemüht, lediglich die bisherige verfassungsgerichtliche Rechtsprechung betreffend der Kinderrechte sichtbar zu machen. Größere inhaltliche Änderungen strebe er nicht an. Die Vorlagen der Fraktionen seien hier substantieller. Es könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass die gewählten Formulierungen Ausgangspunkt für einen zukünftigen Verfassungswandel sein können, der das Verhältnis von Elternrecht und staatlichem Wächteramt aus seiner derzeitigen Balance bringt.
Friederike Wapler vom Lehrstuhl für Rechtsphilosophie und Öffentliches Recht der Johannes Gutenberg-Universität Mainz vertrat die Meinung, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung in der vorliegenden Fassung nicht verabschiedet werden sollte. Er sei der schlechteste Vorschlag von allen. Er löse die selbst gesetzten Regelungsziele nicht ein, werfe mehr Fragen auf, als er beantworte, und bleibe hinter dem Stand der Diskussion zurück. Er scheine das bewährte verfassungsrechtliche Verhältnis von Eltern, Kindern und Staat zwar vordergründig zu bewahren, gefährde es in der Sache aber stärker als jede der alternativ vorgeschlagenen Formulierungen. Es könne durchaus auch eine Lösung sein, auf eine Verfassungsänderung zu verzichten.
Quelle: Heute im Bundestag vom 17.05.2021
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Wir freuen uns, dass das neue Kinder- und Jugendstärkungsgesetz endlich die letzte Hürde genommen hat und der Bundesrat am 07.05.21 zugestimmt hat.
An dieser lange erwarteten und notwendigen Modernisierung der Kinder- und Jugendhilfe wurde insgesamt acht Jahre lang gearbeitet. Die Belange der Pflegekinder waren von Anfang an ein wichtiger, aber auch umstrittener Teil dieser Reform.
PFAD setzte sich die gesamte Zeit über intensiv für notwendige Verbesserungen in der Pflegekinderhilfe ein. Wir brachten uns engagiert ein im Dialogprozess „Mitreden-Mitgestalten“ und maßgeblichen Fachgremien. Wir führten zahlreiche Gespräche mit Fachpolitiker*innen der verschiedenen Fraktionen und sehen, dass wir – zusammen mit anderen Fachorganisationen – viel Gutes erreicht haben.
Drei wichtige Neuerungen für Pflegekinder:
- Reduzierung der Kostenheranziehung von 75 % auf 25 %
Künftig dürfen Pflege- und Heimkinder einen Freibetrag von 150 € ihres Einkommens behalten. Von dem Betrag der darüber hinausgeht, müssen sie höchstens 25 % an die Jugendhilfe abgeben. Das selbstverdiente Einkommen verbleibt zum großen Teil bei den Jugendlichen. Wie andere Jugendliche können sie sich von ihrem Verdienst Wünsche erfüllen und für größere Anschaffungen sparen. Wir freuen uns über diese deutliche Verbesserung, setzen uns aber weiter für die komplette Abschaffung der Kostenheranziehung ein. - Verankerung einer, die Kontinuität sichernden Möglichkeit im BGB
Das Familiengericht kann im Einzelfall den Verbleib eines Kindes in seiner Pflegefamilie dauerhaft anordnen, wenn dies zum Schutz des Kindes erforderlich ist. Dies war uns wichtig, damit Kinder, die schon lange in ihrer Pflegefamilie leben, nicht dauerhaft befürchten müssen, ihren Lebensort wechseln zu müssen. Im Rahmen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) werden die Beziehungen der Pflegekinder nun stärker berücksichtigt. - Rechtsanspruch der Eltern auf Beratung
Eltern haben einen Rechtsanspruch auf Beratung, Unterstützung und Förderung ihrer Beziehung zum Kind, auch ohne dass es ein Rückführungsbestreben gibt. Eltern, denen die Personensorge entzogen wurde, müssen nun besser begleitet und einbezogen werden. Wir halten dies für wichtig zum Wohle des Pflegekindes und zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen leiblicher und Pflegefamilie.
Der Bundesrat weist in einer begleitenden Entschließung darauf hin, dass die Länder mit erheblichen Folgekosten durch das Gesetz rechnen müssen, die sie nicht tragen können. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, dauerhaft einen vollständigen Kostenausgleich für Länder und Kommunen zu schaffen – beispielsweise durch Änderung des Finanzausgleichsgesetzes.
Für die Umsetzung des Reformgedankens brauchen Pflegekinder und ihre Familien angemessen finanziell und personell ausgestattete Jugendämter. Ein Kosten-ausgleich auf Bundesebene wäre eine wünschenswerte Absicherung.
PFAD Pressemitteilung vom 12.05.2021
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Kinder und Jugendliche aus einem belastenden Lebensumfeld besser zu schützen und ihnen mehr Chancen auf Teilhabe zu geben: Das ist Ziel der Modernisierung des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes, dem der Bundesrat am 07.05.2021 abschließend zugestimmt hat.
Welche jungen Leute hat das Gesetz im Blick? Wie wird ihre Situation verbessert?
Ein Überblick in Fragen und Antworten.
Was konkret regelt das modernisierte Kinder- und Jugendstärkungsgesetz?
Mit dem Gesetz werden die rechtlichen Grundlagen der Kinder- und Jugendhilfe weiterentwickelt. Ziel ist ein wirksames Hilfesystem, das Kinder vor Gefährdungen schützt und Familien stärkt. Dabei geht es auch darum, gesellschaftliche Teilhabe und Chancengleichheit für alle jungen Menschen zu sichern beziehungsweise herzustellen. Deshalb werden vor allem diejenigen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene gefördert, die besonderen Unterstützungsbedarf haben.
Die Reform des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes regelt konkret:
- einen besseren Kinder- und Jugendschutz
- die Stärkung von Kindern und Jugendlichen, die in Pflegefamilien oder in Einrichtungen der Erziehungshilfe aufwachsen
- Hilfen aus einer Hand für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen
- mehr Prävention vor Ort
- mehr Beteiligung von jungen Menschen, Eltern und Familien
Warum war die Reform des Gesetzes notwendig?
Die Kinder- und Jugendhilfe hat den Auftrag, alle jungen Menschen zu stärken. Dieses umfassende Verständnis liegt dem Achten Buch Sozialgesetzbuch – Kinder und Jugendhilfe (SGB VIII) zugrunde. Damit diese Gesetzgebung auch in Zukunft den tatsächlichen Bedürfnissen von jungen Menschen gerecht werden kann, musste sie angepasst und weiterentwickelt werden.
Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe ist es, Eltern bei der Wahrnehmung ihrer Erziehungsverantwortung zu unterstützen. Darüber hinaus gilt es, Gefährdungen des Kindeswohl abzuwehren. Zentrales Leitbild der Kinder- und Jugendhilfe ist, junge Menschen und ihre Eltern nicht als Objekte fürsorgender Maßnahmen zu betrachten, sondern sie vielmehr als Expertinnen und Experten in eigener Sache auf Augenhöhe aktiv und mitgestaltend in die Hilfe- und Schutzprozesse einzubeziehen. Die Weiterentwicklung der gesetzlichen Grundlage der Kinder- und Jugendhilfe ist ein wichtiges Vorhaben des Koalitionsvertrages.
Wie verbessert das Gesetz den Kinder- und Jugendschutz?
Eine besondere Bedeutung kommt Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe zu. Die Anforderungen an die Erteilung einer Betriebserlaubnis für Kinderheime und andere Einrichtungen werden erhöht. Aufsicht und Kontrolle werden verstärkt. Konkret können Heime künftig jederzeit und ohne Anlass kontrolliert werden.
Sehr wichtig ist auch die Kooperation zwischen der Kinder- und Jugendhilfe mit wichtigen Akteuren im Kinderschutz. Ziel ist, diese Zusammenarbeit auszubauen und zu verbessern. So wird das Gesundheitswesen stärker in die Verantwortung für einen wirksamen Kinderschutz einbezogen. Das modernisierte Gesetz regelt die Mitverantwortung der gesetzlichen Krankenversicherung und verbessert die Kooperation zwischen Ärztinnen und Ärzten sowie Angehörigen anderer Heilberufe und dem Jugendamt. So erhalten Kinderärzte, die sich bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung an das Jugendamt wenden, vom Amt in Zukunft auch eine Rückmeldung über die anschließende Gefährdungseinschätzung.
Auch das Zusammenwirken von Jugendamt und Jugendgericht, Familiengericht und Strafverfolgungsbehörden sowie anderen bedeutenden Akteuren im Kinderschutz, etwa Lehrerinnen und Lehrern, wird verbessert.
Wie werden Kinder und Jugendliche gestärkt, die in Pflegefamilien oder in Einrichtungen der Erziehungshilfe aufwachsen?
Ein wichtiger Punkt ist, dass die Kostenbeteiligung von jungen Menschen bei vollstationären Leistungen auf höchstens 25 Prozent ihres Einkommens reduziert wird. Sie können also drei Viertel eines Nebenverdienstes für sich behalten. Ein Freibetrag von 150 Euro wird von der Kostenbeteiligung ganz ausgenommen. Ebenso Einkommen aus kurzfristigen Ferienjobs und ehrenamtlicher Tätigkeit.
Zudem erhalten Eltern bei Hilfen außerhalb der eigenen Familie einen Rechtsanspruch auf Beratung, Unterstützung und Förderung ihrer Beziehung zum Kind. Zur Sicherung der Rechte von Kindern und Jugendlichen in Familienpflege müssen dort künftig Schutzkonzepte angewendet werden.
Darüber hinaus werden gewachsene Bindungen und Beziehungen von Pflegekindern gestärkt, indem die Möglichkeiten des Familiengerichts erweitert werden. Künftig kann der Verbleib eines Kindes in seiner Pflegefamilie als dauerhafte Maßnahme angeordnet werden, wenn dies zum Schutz und Wohl des Kindes erforderlich ist.
Wie steht es um die Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen?
Für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen und ihre Eltern wird es deutlich leichter, ihre Rechte zu verwirklichen. Dazu sollen die Leistungen der Eingliederungshilfe an Kinder und Jugendliche mit Behinderungen in einem Stufenverfahren in das Recht der Kinder- und Jugendhilfe überführt und integriert werden. Ziel sind Hilfen aus einer Hand.
Die Inklusion wird als Leitgedanke der Kinder- und Jugendhilfe verankert. In Kitas ist grundsätzlich eine gemeinsame Betreuung von Kindern mit und ohne Behinderungen vorgesehen. Beteiligte Leistungsträger müssen enger und verbindlicher zusammenarbeiten. Eltern von Kindern mit Behinderungen werden ab 2024 durch einen Verfahrenslotsen unterstützt, der ihnen stets als Ansprechpartner zur Verfügung steht. Örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe können einen entsprechenden Lotsen aber bereits vor dem 1. Januar 2024 einsetzen. Ziel ist eine verbindlichere Beratung.
Wie werden die Beteiligungsrechte von Betroffenen gestärkt?
Eine wichtige Neuerung: Kinder und Jugendliche erhalten einen uneingeschränkten Anspruch auf Beratung durch die Kinder- und Jugendhilfe. Darüber hinaus werden Ombudsstellen gesetzlich verankert, um die Beteiligung junger Menschen und ihrer Eltern zu stärken. Insbesondere werden die Rechte von Pflegekindern gestärkt. Das Jugendamt wird verpflichtet, Möglichkeiten der Beschwerde in persönlichen Angelegenheiten für Pflegekinder zu gewährleisten. Eltern sind an der sogenannten Hilfeplanung für ihre Kinder zu beteiligen, wenn dadurch der Hilfeprozess nicht in Frage gestellt wird. Hier sind vor allem der Willen und die Bedürfnisse des jeweiligen jungen Menschen sowie des Sorgeberechtigten zu berücksichtigen.
Darüber hinaus wird das Jugendamt zur umfassenden Aufklärung des Kindes oder Jugendlichen und seiner Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bei einer Inobhutnahme verpflichtet.
Quelle: Mitteilung der Bundesregierung vom 07.05.2021
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Mit der Reform des Jugendschutzgesetzes treten zum 01.05.2021 neue Regelungen für den Kinder- und Jugendmedienschutz in Kraft.
Das Gesetz packt mit moderner und zukunftsoffener Regulierung die zentralen Herausforderungen für ein gutes Aufwachsen mit Medien von Kindern und Jugendlichen an. Langjährige Forderungen der Fachwelt, Einigungen zwischen Bund und Ländern, der Koalitionsvertrag der Regierungsparteien für die 19. Legislaturperiode sowie Forderungen der Kinderkommission des Deutschen Bundestages und des Kinderrechtsausschusses der Vereinten Nationen werden damit umgesetzt.
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey: „Mit dem neuen Jugendschutzgesetz geben wir zeitgemäße Antworten auf die drängenden Herausforderungen des Kinder- und Jugendmedienschutzes: Bisher ging es vor allem um den Schutz vor der Konfrontation mit Inhalten und es gab Unterschiede zwischen den Regelungen on- und offline. Aber das entspricht nicht mehr der Realität, wie Kinder und Jugendliche Medien nutzen. Aktuelle Risiken wie beispielsweise eine sexuell motivierte Ansprache, also das sogenannte Cybergrooming, oder Kostenfallen und Mobbing waren noch nicht geregelt.
Kinder und Jugendliche sind einen großen Teil des Tages online – häufig schon im Grundschulalter mit dem eigenen Smartphone und ohne elterliche Begleitung. Das ist wichtig für die digitale Teilhabe, birgt aber eben auch neue Gefahren. Kinder und Jugendliche sollen gut und unbeschwert aufwachsen. Dazu gehört, dass sie sich in altersgerechten Interaktionsräumen bewegen können. Ganz bewusst haben wir die neuen Regelungen deshalb auch aus der Perspektive von Kindern und Jugendlichen gedacht und haben uns weniger an Verbreitungswegen und Mediensparten orientiert.“
Das Gesetz hat mehrere neue Regelungsansätze, die den Dreiklang aus Schutz, Orientierung und Durchsetzung umfassen und die Schaffung einer Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz regeln.
Die neuen Regelungssätze im Überblick:
- Verpflichtung zu strukturellen Vorsorgemaßnahmen
Für Kinder und Jugendliche relevante Internetdienste werden verpflichtet, angemessene und wirksame strukturelle Vorsorgemaßnahmen zum Schutz der persönlichen Integrität von Kindern und Jugendlichen zu treffen. Vorsorge kann beispielsweise in sicheren Voreinstellungen, leicht erreichbaren Melde- und Hilfesystemen oder Systemen zur Altersverifikation getroffen werden. Die konkret erforderlichen Vorsorgemaßnahmen können mit Blick auf Eigenheiten und Nutzungsanwendungsbestimmungen eines Angebots variieren. Die gesetzliche Regelung lässt den notwendigen Spielraum sowohl für eine passgenaue Anwendung als auch für die Berücksichtigung künftiger Entwicklungen.
- Modernisierung von Alterskennzeichen
Die Regelungen zu Alterskennzeichnungen für Computerspiele und Filme werden modernisiert und bieten künftig wieder verlässliche und nachvollziehbare Orientierung für Eltern, Fachkräfte sowie Kinder und Jugendliche selbst: Auch Online-Film- und Spieleplattformen müssen ihre Angebote künftig mit Alterskennzeichen versehen, die auf einer transparenten Grundlage zustande gekommen sind. Interaktionsrisiken finden Eingang in die Altersbewertung, wenn und soweit sie die Alterseignung des Mediums wesentlich prägen. Dies bedeutet, dass beispielsweise offene Chats, die eine Kontaktanbahnung ermöglichen und damit Einfallstor für Mobbing, sexuelle Belästigung u.a. sein können, nun bei der Frage der Alterseignung berücksichtigt werden können. Gleiches gilt für Kaufanreize und glücksspielähnliche Elemente wie Lootboxen. Durch eine Einbeziehung in das Alterskennzeichen selbst werden zum Beispiel Eltern auf einen Blick befähigt, eine Entscheidung zu treffen.
- Konsequente Rechtsdurchsetzung
Das Jugendschutzgesetz ermöglicht eine konsequente Rechtsdurchsetzung auch gegenüber Anbietern, die ihren Sitz nicht in Deutschland haben. In einem ersten Schritt wird Anbietern in einem dialogischen Verfahren ausreichend Gelegenheit zur Nachbesserung gegeben. Verläuft dieses Verfahren jedoch fruchtlos, drohen als letzte Konsequenz Bußgelder in Höhe von bis zu 50 Millionen Euro.
- Weiterentwicklung der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien zur Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz
Die bisherige Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien mit Sitz in Bonn wird zur Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz weiterentwickelt. Sie wird die Aufsicht über die Einhaltung der neuen Anbieterpflichten führen. Ebenso wird sie alle im Kinder- und Jugendmedienschutz wichtigen Akteure vernetzen, die auch weiterhin notwendige Weiterentwicklung des Kinder- und Jugendmedienschutzes vorantreiben und Orientierung ermöglichen. Für die Erfüllung dieser neuen Aufgabe wird die Behörde sukzessive auch personell ausgestattet; schon für 2021 sind 37 zusätzliche Stellen vorgesehen. Bei der Bundeszentrale wird ein Beirat eingerichtet, der nicht nur konsequent die Interessen von Kindern und Jugendlichen einbringt, sondern in dem Kinder und Jugendliche auch – erstmals bei einer Behörde – selbst vertreten sind.
Quelle: Pressemitteilung des Bundesfamilienministeriums vom 30.04.2021
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