PFAD unterstützt Schutz von Kindern im Internet
Zum Europäischen Tag zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch am 18.11. hat sich der PFAD Bundesverband der Pflege- und Adoptivfamilien e.V. einem Offenen Brief an die Europäische Union angeschlossen, mit dem die Zivilgesellschaft und Kinderrechtsorganisationen zum Handeln aufrufen, um das Internet zu einem sicheren Ort für Kinder zu machen.
Gesamten Beitrag lesen | Make a Comment ( Kommentare deaktiviert für PFAD unterstützt Schutz von Kindern im Internet )Schutz von Kindern vor sexualisierter Gewalt

Zusammen mit der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) startet das Familienministerium noch in diesem Jahr eine bundesweite Aufklärungs- und Sensibilisierungskampagne zum Schutz von Kindern vor sexualisierter Gewalt und Ausbeutung. Das kündigt die Bundesregierung in ihrer Antwort (20/2270) auf eine Kleine Anfrage (20/1618) der Fraktion Die Linke an.
Ziel der Kampagne ist demnach die Sensibilisierung von Erwachsenen, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben. Sie sollen dazu aktiviert werden, sich mit dem Schutz von Kindern gegen sexualisierte Gewalt und mit Hilfeangeboten auseinanderzusetzen und bei Verdachtsfällen zu reagieren. Die Kampagne soll von einem Bündnis aus Partnerinnen und Partnern aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen mitgetragen werden. Der Nationale Rat gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen wird wichtiger Partner einer Mobilisierungswelle, die aus bundesweiten und lokalen Aktivierungsmaßnahmen besteht. „Gemeinsam zeigen wir, dass Jede und Jeder in der Gesellschaft etwas zum Schutz vor sexualisierter Gewalt und Ausbeutung tun kann“, betont die Regierung.
Ein zentrales Vorhaben ist laut Aussagen der Regierung ferner die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für das Amt der UBSKM, um damit deren Arbeit verbindlicher zu gestalten. Eine entsprechende gesetzliche Regelung soll ebenfalls 2022 erarbeitet werden. Diese soll auch eine regelmäßige Berichterstattung gegenüber Bundestag und Bundesrat enthalten.
Quelle: Heute im Bundestag vom 24.06.2022
Gesamten Beitrag lesen | Make a Comment ( Kommentare deaktiviert für Schutz von Kindern vor sexualisierter Gewalt )PFAD unterstützt Vorbeugung und Bekämpfung sexueller Gewalt gegen Kinder

Der PFAD Bundesverband hat sich einem offenen Brief internationaler, zivilgesellschaftlicher Organisationen an die Europäische Union angeschlossen.
Darin begrüßen wir den Vorschlag der Europäischen Kommission zur Vorbeugung und Bekämpfung von sexuellem Kindesmissbrauch sowohl online, als auch offline. Das Gesetz soll sicherstellen, dass Technologie im Einklang mit den Werten der Europäischen Union und den Grundrechten entwickelt und genutzt wird, wobei dem Schutz von Kindern besondere Aufmerksamkeit gilt.
Offener Brief (deutsche Version, pdf)
Gesamten Beitrag lesen | Make a Comment ( Kommentare deaktiviert für PFAD unterstützt Vorbeugung und Bekämpfung sexueller Gewalt gegen Kinder )Zahl kindlicher Gewaltopfer 2020 deutlich gestiegen

Berlin: (hib/STO) Die Zahl der Opfer erfasster Fälle von Gewalttaten gegen Kinder wie Mord, Totschlag, Misshandlungen oder sexuellem Missbrauch ist im vergangenen Jahr im Vergleich zu den beiden Vorjahren deutlich gestiegen.
Wie aus der Antwort der Bundesregierung (19/31589) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (19/31414) hervorgeht, kamen im Jahr 2020 insgesamt 71 Kinder unter 14 Jahren in Deutschland gewaltsam – etwa durch Mord oder Totschlag- ums Leben. Im Jahr 2019 lag diese Zahl, die die Fälle von „vollendetem Mord, Totschlag und Tötung auf Verlangen“ umfasst, den Angaben zufolge bei 42 nach 63 im Jahr 2018. Opfer von Tötungsversuchen („versuchter Mord, Totschlag und Tötung auf Verlangen“) wurden danach vergangenes Jahr 134 Kinder nach 87 im Jahr 2019 und 98 im Jahr 2018.
Die Zahl der Opfer erfasster Fälle von Kindesmisshandlungen lag im Jahr 2020 laut Vorlage bei 4.542 nach 4.100 im Vorjahr und 4.180 im Jahr 2018. Opfer sexuellen Missbrauchs gemäß den Strafgesetzbuchparagrafen 176 und 176a wurden der Antwort zufolge im vergangenen Jahr 16.686 Kinder nach 15.701 im Jahr 2019 und 14.410 im Jahr 2018.
Quelle: Heute im Bundestag vom 28.07.2021
Gesamten Beitrag lesen | Make a Comment ( Kommentare deaktiviert für Zahl kindlicher Gewaltopfer 2020 deutlich gestiegen )9 % mehr Fälle: Jugendämter melden 2020 Höchststand an Kindeswohlgefährdungen
WIESBADEN – Die Jugendämter in Deutschland haben im Jahr 2020 bei fast 60 600 Kindern und Jugendlichen eine Kindeswohlgefährdung festgestellt. Das waren rund 5 000 Fälle oder 9 % mehr als 2019. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, haben die Kindeswohlgefährdungen damit im Corona-Jahr 2020 den höchsten Stand seit Einführung der Statistik im Jahr 2012 erreicht. Bereits in den beiden Vorjahren war die Zahl der Kindeswohlgefährdungen deutlich – und zwar um jeweils 10 % – gestiegen.

Neben einer zunehmenden Sensibilisierung der Bevölkerung für den Kinderschutz, können im Corona-Jahr 2020 auch die Belastungen von Familien infolge der Lockdowns und der Kontaktbeschränkungen ein Grund für die Zunahme gewesen sein. Gleichzeitig ist nicht auszuschließen, dass ein Teil der Fälle, etwa aufgrund von vorübergehenden Schulschließungen, unentdeckt geblieben ist. Die Behörden können nur solche Fälle zur Statistik melden, die ihnen bekannt gemacht wurden, wobei auch diese Zahl gewachsen ist: Bundesweit prüften die Jugendämter im Jahr 2020 knapp 194 500 Verdachtsmeldungen im Rahmen einer Gefährdungseinschätzung, das waren 12 % mehr als 2019 (+21 400 Fälle).
Jedes zweite Kind war jünger als 8 Jahre, jedes dritte jünger als 5 Jahre
Den neuen Ergebnissen zufolge war etwa jedes zweite gefährdete Kind jünger als acht Jahre (51 %) und jedes dritte sogar jünger als fünf Jahre (33 %). Während Jungen bis zum Alter von 13 Jahren etwas häufiger betroffen waren, galt dies ab dem 14. Lebensjahr für die Mädchen. Die meisten Minderjährigen wuchsen bei alleinerziehenden Elternteilen (43 %), bei beiden Eltern gemeinsam (38 %) oder einem Elternteil in neuer Partnerschaft auf (11 %). Etwa die Hälfte (49 %) der betroffenen Jungen und Mädchen hatte zum Zeitpunkt der Gefährdungseinschätzung bereits eine Leistung der Kinder- und Jugendhilfe in Anspruch genommen und stand somit schon in Kontakt zum Hilfesystem.
Vernachlässigung ist am häufigsten, psychische Misshandlungen steigen am stärksten
Die meisten der rund 60 600 Kinder mit einer Kindeswohlgefährdung wiesen Anzeichen von Vernachlässigung auf (58 %). Bei rund einem Drittel aller Fälle (34 %) wurden Hinweise auf psychische Misshandlungen – beispielsweise in Form von Demütigungen, Einschüchterungen, Isolierung und emotionale Kälte – gefunden. In etwas mehr als einem Viertel (26 %) der Fälle gab es Indizien für körperliche Misshandlungen und in 5 % Anzeichen für sexuelle Gewalt. Mehrfachnennungen waren hierbei möglich.
Im Vergleich zum Vorjahr haben alle Arten der Kindeswohlgefährdung an Bedeutung gewonnen. Besonders stark war die Zunahme im Corona-Jahr 2020 aber bei psychischen Misshandlungen. Hier stieg die Zahl der Nennungen um 17 % (+3 100 Fälle).
Weniger Hinweise von Schulen, aber deutlich mehr aus der Bevölkerung
Die meisten der rund 194 500 Gefährdungseinschätzungen wurden im Jahr 2020 von der Bevölkerung – also Verwandten, Bekannten, Nachbarn oder anonym – angeregt (27 %). Fast ebenso häufig kamen die Hinweise auf eine mögliche Kindeswohlgefährdung von Polizei oder Justizbehörden (27 %). Mit Abstand folgten Einrichtungen und Dienste der Kinder- und Jugendhilfe oder Erziehungshilfe (13 %) sowie Schulen (10 %). In rund jedem zehnten Fall hatten die Familien selbst, also die betroffenen Minderjährigen oder deren Eltern, auf die Gefährdungssituation aufmerksam gemacht (9 %).
Knapp jeder dritte Verdacht auf eine Kindeswohlgefährdung wurde später durch die Jugendämter bestätigt (31 %). In etwa einem weiteren Drittel (34 %) der Fälle stellten die Behörden zwar keine Gefährdung, wohl aber weiteren Hilfebedarf fest und ebenso in rund einem Drittel (35 %) der Fälle erwies sich der Verdacht als unbegründet.
Fachleute hatten im Vorfeld der Corona-bedingten Lockdowns davor gewarnt, dass insbesondere durch die Schul- und Kita-Schließungen Kinderschutzfälle unentdeckt geblieben sein könnten. Die neuen Ergebnisse scheinen diese Annahme, zumindest für den Sektor Schule, zu stützen: So sind die Verdachtsmeldungen von Schulen im Jahr 2020 – erstmals in der Statistik und entgegen dem allgemeinen Trend (insgesamt 12 % mehr Verdachtsmeldungen gegenüber 2019) – um 1,5 % zurückgegangen (-300 Fälle). Dies steht im Gegensatz zu den Entwicklungen der beiden Vorjahre: Im Jahr 2018 hatten die Verdachtsmeldungen von Schulen um 15 % (+2 100 Fälle) und im Jahr 2019 sogar um 17 % zugenommen (+2 800 Fälle).
Dagegen scheint die Bevölkerung im Corona-Jahr 2020 erheblich wachsamer geworden zu sein: Gegenüber 2019 sind die Hinweise von Verwandten, Bekannten, Nachbarn und anonymen Melderinnen und Meldern um insgesamt 9 100 Fälle angestiegen, das entspricht einer weit überdurchschnittlichen Zunahme um 21 %.
Hinweis:
Eine Kindeswohlgefährdung liegt vor, wenn eine erhebliche Schädigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls eines Kindes droht oder bereits eingetreten ist. In Verdachtsfällen sind die Jugendämter verpflichtet, durch eine Gefährdungseinschätzung (nach § 8a SGB VIII) das Gefährdungsrisiko und den Hilfebedarf abzuschätzen und einer Gefährdung entgegenzuwirken. Dazu zählen in der Regel auch ein Hausbesuch und die Erörterung der Problemsituation mit dem Kind und – sofern dies dem Kinderschutz nicht entgegensteht – den Sorgeberechtigten. Im Zweifel kann der Kinderschutz auch durch ein Familiengericht gegen den Willen der Sorgeberechtigten durchgesetzt werden.
Quelle: Pressemitteilung von Destatis vom 21.07.2021
Gesamten Beitrag lesen | Make a Comment ( Kommentare deaktiviert für 9 % mehr Fälle: Jugendämter melden 2020 Höchststand an Kindeswohlgefährdungen )Berlin und Brandenburg: Mehr Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung im Jahr 2020

Im Jahr 2020 führten die Jugendämter in Berlin und Brandenburg 26 546 Verfahren zur Einschätzung der Gefährdung des Kindeswohls durch. Davon waren 18 471 Berliner und 8 075 Brandenburger Kinder und Jugendliche betroffen, teilt das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg mit.
In Berlin stieg die Anzahl der Verfahren gegenüber 2019 um 8 Prozent und in Brandenburg um 18 Prozent.
Ergebnis der Gefährdungseinschätzung in Berlin
Akut gefährdet waren in Berlin 19 Prozent der betroffenen Kinder und Jugendlichen. In diesen Fällen war eine erhebliche Schädigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes oder Jugendlichen bereits eingetreten oder mit ziemlicher Sicherheit zu erwarten. In 26 Prozent der Fälle lag eine latente Kindeswohlgefährdung vor. Dabei konnte die Frage nach der gegenwärtig tatsächlich bestehenden Gefahr nicht eindeutig beantwortet werden, aber es bestand weiterhin der Verdacht auf eine Kindeswohlgefährdung bzw. eine solche konnte nicht ausgeschlossen werden. In 56 Prozent der Fälle wurde keine Gefährdung ermittelt, bei der Hälfte dieser Fälle bestand jedoch Unterstützungsbedarf.
53 Prozent der akuten bzw. latenten Kindeswohlgefährdungen in Berlin betrafen Vernachlässigung, 17 Prozent körperliche und 27 Prozent psychische Misshandlungen. In 3 Prozent der Fälle mussten Verfahren wegen sexueller Gewalt eingeleitet werden. Je Fall sind mehrere Arten der Gefährdung möglich.
Ergebnis der Gefährdungseinschätzung in Brandenburg
Während in Berlin fast jede zweite Einschätzung eine akute oder latente Gefährdung ergab, führte im Land Brandenburg jede dritte Gefährdungseinschätzung zu einem dieser Ergebnisse.
Bei je 19 Prozent der betroffenen Brandenburger Kinder und Jugendlichen lag eine akute bzw. eine latente Gefährdung vor und in je 31 Prozent der Fälle wurde zwar keine Gefährdung ermittelt, aber es bestand Hilfebedarf bzw. es wurden weder Kindeswohlgefährdung noch Hilfebedarf festgestellt.
In weit über der Hälfte (2 143) der Brandenburger Fälle mit akuter oder latenter Kindeswohlgefährdung wurden die Kinder und Jugendlichen vernachlässigt. Anzeichen für körperliche und psychische Misshandlungen wurden in 595 (15 Prozent) bzw. 1 027 (26 Prozent) Fällen angegeben und eine Einschätzung, dass eine Gefährdung aufgrund sexueller Gewalt vorlag, betraf 161 Fälle (4 Prozent).
Alter der Kinder und Jugendlichen
80 Prozent der betroffenen Kinder in Berlin und 85 Prozent der Kinder in Brandenburg waren jünger als 14 Jahre. Rund jedes fünfte Kind sogar jünger als 3 Jahre. Dabei waren Jungen etwas häufiger betroffen (Berlin: 55 Prozent, Brandenburg: 52 Prozent), lediglich in der Altersgruppe von 14 bis 18 Jahren war das Geschlechterverhältnis umgekehrt.
Inanspruchnahme von Leistungen
Als Folge der Gefährdungseinschätzung wurden in Berlin für jedes achte und in Brandenburg für jedes fünfte Kind ambulante oder teilstationäre Hilfen zur Erziehung neu eingeleitet bzw. geplant. Unterstützung nach §§ 16–18 SGB VIII wurde für 1 543 Fälle in Berlin und 648 Fälle in Brandenburg gewährt. Hierbei handelt es sich um Leistungen zur allgemeinen Förderung der Erziehung in der Familie und Beratung in Fragen der Partnerschaft, Trennung oder Scheidung sowie die Beratung und Unterstützung bei der Ausübung der Personensorge und des Umgangsrechts.
686 Berliner und 350 Brandenburger Kinder oder Jugendliche wurden im Rahmen der vorläufigen Schutzmaßnahmen in Obhut genommen. In 1 254 Fällen in Berlin und 487 Fällen in Brandenburg musste das Familiengericht angerufen werden.
Quelle: Pressemitteilung des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg vom 20.07.2021
Gesamten Beitrag lesen | Make a Comment ( Kommentare deaktiviert für Berlin und Brandenburg: Mehr Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung im Jahr 2020 )Dokumentation „Gefangen im Netz“ – ein Film über sexuellen Missbrauch an Kindern im Internet

Um Cybergrooming von Kindern nachhaltig zu bekämpfen, setzt die Doku „Gefangen im Netz“ des Vereins Innocence in Danger e.V. und VISION KINO auf die Aufklärung von Kindern und Jugendlichen.
Neben der Dokumentation (ab 16 Jahren) gibt es auch eine verkürzte Version, die Schulklassen kostenlos zur Verfügung gestellt wird.
Trailer (Schulversion):
Kinderschutz: Jugendämter nahmen 2020 rund 45 400 Kinder in Obhut

WIESBADEN – Die Jugendämter in Deutschland haben im Jahr 2020 rund 45 400 Kinder und Jugendliche zu ihrem Schutz vorübergehend in Obhut genommen. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, erfolgten zwei Drittel (67 %) dieser Inobhutnahmen wegen einer dringenden Kindeswohlgefährdung, 17 % aufgrund einer unbegleiteten Einreise aus dem Ausland und weitere 17 % auf Bitte der betroffenen Minderjährigen. Ein Drittel (33 %) aller 2020 in Obhut genommenen Jungen und Mädchen war jünger als 12 Jahre, jedes zehnte Kind (11 %) sogar jünger als 3 Jahre.

Im Vergleich zu 2019 sind die Inobhutnahmen um 8 % oder rund 4 100 Fälle zurückgegangen. Anders als in den beiden Vorjahren war dafür im Corona-Jahr 2020 jedoch nicht allein die sinkende Zahl der Inobhutnahmen nach unbegleiteter Einreise verantwortlich (‑1 100 Fälle). Noch deutlicher war der Rückgang in Fällen von dringender Kindeswohlgefährdung (-2 100 Fälle). Auch die Zahl der Selbstmeldungen von Jungen und Mädchen hat 2020 -im Unterschied zu den beiden Jahren zuvor -abgenommen (-800 Fälle). Inwieweit diese Entwicklungen in Zusammenhang mit den Lockdowns und den Kontaktbeschränkungen infolge der Corona-Pandemie stehen, lässt sich anhand der vorliegenden Ergebnisse nicht beantworten. Fachleute und Studien weisen jedoch darauf hin, dass ein Teil der Kinderschutzfälle Corona-bedingt unentdeckt geblieben und das Dunkelfeld somit gewachsen sein könnte. In die offizielle Statistik fließen nur solche Fälle ein, die den Jugendämtern bekannt gemacht wurden und daher dem sogenannten Hellfeld zuzurechnen sind.
Bedeutung von Überforderung, Misshandlungen und Vernachlässigung wächst
Am häufigsten wurden Kinder und Jugendliche 2020 wegen der Überforderung eines oder beider Elternteile in Obhut genommen (41 %). Mit Abstand folgte an zweiter Stelle die unbegleitete Einreise aus dem Ausland (17 %). Anzeichen für Vernachlässigungen waren der dritthäufigste (15 %) und Hinweise auf körperliche Misshandlungen der vierthäufigste Grund für eine Inobhutnahme (13 %). An fünfter Stelle standen Beziehungsprobleme (ebenfalls 13 %) und auf Rang 6 psychische Misshandlungen (8 %). Mehrfachnennungen waren hierbei möglich.

Trotz des allgemeinen Rückgangs der Zahl der Inobhutnahmen haben im Vergleich zu 2019 fast alle Anlässe anteilig an Bedeutung gewonnen – die einzigen Ausnahmen waren unbegleitete Einreisen sowie Schul- und Ausbildungsprobleme. Besonders deutlich war dies bei den Anlässen Überforderung der Eltern (+2,3 Prozentpunkte), psychische Misshandlungen (+2,1 Prozentpunkte), Vernachlässigungen (+1,7 Prozentpunkte) und körperliche Misshandlungen (+1,0 Prozentpunkt). Dadurch sind körperliche Misshandlungen in der Liste der häufigsten Anlässe für eine Inobhutnahme im Vergleich zu 2019 von Rang 5 auf Rang 4 und psychische Misshandlungen sogar um zwei Ränge von Rang 8 auf Rang 6 vorgerückt.
Etwa jede zweite Inobhutnahme wurde nach spätestens zwei Wochen beendet
Die meisten Minderjährigen waren vor der Inobhutnahme bei einem allein erziehenden Elternteil (25 %), bei beiden Eltern gemeinsam (25 %) oder bei einem Elternteil in neuer Partnerschaft untergebracht (14 %). Aber auch eine vorherige Heimunterbringung war nicht selten (13 %). Etwa jede zweite Schutzmaßnahme konnte nach spätestens zwei Wochen beendet werden (52 %). In etwa jedem achten Fall dauerte die Inobhutnahme mit drei Monaten oder mehr jedoch vergleichsweise lang.
Während der Inobhutnahme wurde die Mehrheit der betroffenen Kinder und Jugendlichen in einer geeigneten Einrichtung, zum Beispiel einem Heim, untergebracht (80 %). Danach kehrte ein Großteil der Jungen und Mädchen an den bisherigen Lebensmittelpunkt zu den Sorgeberechtigten, der Pflegefamilie oder in das Heim zurück (37 %). Knapp ein Drittel der Jungen und Mädchen bekam dagegen ein neues Zuhause in einer Pflegefamilie, einem Heim oder einer betreuten Wohnform (33 %).
Quelle: Pressemitteilung von Destatis vom 24.06.2021
Gesamten Beitrag lesen | Make a Comment ( Kommentare deaktiviert für Kinderschutz: Jugendämter nahmen 2020 rund 45 400 Kinder in Obhut )Neue Online-Plattform für Fortbildungen zu sexualisierter Gewalt


Um Kinder und Jugendliche wirksam vor sexualisierter Gewalt zu schützen, brauchen Fachkräfte in der Kinder- und Jugendarbeit entsprechendes Wissen. Eine neue Online-Plattform bündelt ab sofort Informationen zu aktuellen Fortbildungsangeboten.
Damit pädagogische Fachkräfte künftig einfacher und schneller passende Fortbildungsangebote zu sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen finden und buchen können, ist am 12. April die Online-Plattform „Fortbildungsnetz sG“ gestartet. Das Bundesjugendministerium fördert das Projekt im Rahmen der „Trau dich!“-Initiative gegen sexuellen Kindesmissbrauch.
Online-Plattform erleichtert den Zugang
Als erste bundesweite Online-Datenbank bietet das Fortbildungsnetz pädagogischen Fachkräften eine Übersicht über Fortbildungen zum Thema sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen und die Möglichkeit, diese zu buchen. So können Erwachsene, die mit Kindern und Jugendlichen zusammenarbeiten, ihre Kompetenzen für den Kinder- und Jugendschutz stärken. Die Plattform erhöht Reichweite und Sichtbarkeit von Angeboten und bietet eine nachhaltige Struktur für die Qualifizierung von Fachkräften.
Fachlich gesicherte Fortbildungen anbieten
Die Datenbank wurde von der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Intervention bei Kindesmisshandlung, -vernachlässigung und sexualisierter Gewalt e.V. (DGfPI) und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) aufgebaut. Seit September 2020 konnten Anbieterinnen und Anbieter ihre Fortbildungen für die Datenbank anmelden. Alle Fortbildungsangebote erfüllen die Qualitätskriterien der DGfPI, denn nur qualitativ hochwertige Fortbildungen sind wirksam für den Kinderschutz. Die Datenbank umfasst bereits Angebote von 80 Anbieterinnen und Anbietern und wird stetig erweitert. Das neue „Fortbildungsnetz sG“ ist ein wichtiger Baustein, um pädagogische Fachkräfte zu qualifizieren und Kinder wirksam zu schützen.
Kinder und Jugendliche vor sexualisierter Gewalt schützen
Jedes Kind hat das Recht auf Schutz vor sexualisierter Gewalt. Erwachsene sind dafür verantwortlich, dass dieses Recht umgesetzt wird. Im Jahr 2019 verzeichnete die Polizeiliche Kriminalstatistik rund 15.000 gemeldete Fälle von sexualisierter Gewalt gegen Kinder. Das bedeutet, dass jeden Tag etwa 40 Kinder von sexualisierter Gewalt betroffen sind. Um sexualisierte Gewalt zu verhindern, müssen Erwachsene sensibilisiert sein und wissen, wie sie Kindern helfen können. Gerade Fachkräfte, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, sollten sich weiterbilden können, um qualifizierte Ansprechpersonen zu werden. Fortbildungen sind dabei ein zentraler Bestandteil – auch um Schutzkonzepte in Einrichtungen für Kinder und Jugendliche zu entwickeln.
Quelle: BMFSFJ vom 12.04.2021
Gesamten Beitrag lesen | Make a Comment ( Kommentare deaktiviert für Neue Online-Plattform für Fortbildungen zu sexualisierter Gewalt )Kindeswohlgefährdung: In jedem 5. Fall wurden mehrere Arten von Gewalt oder Vernachlässigung festgestellt

WIESBADEN – Die Jugendämter in Deutschland haben im Jahr 2019 mit rund 55 500 Kindeswohlgefährdungen das zweite Mal in Folge 10 % mehr Fälle festgestellt als im jeweiligen Vorjahr. Eine neue Auswertung des Statistischen Bundesamtes (Destatis) zeigt nun, dass in jedem fünften Fall von Kindeswohlgefährdung (20 %) mehrere Gefährdungsarten gleichzeitig vorlagen. Im Jahr 2019 betraf das rund 11 200 Kinder und Jugendliche. Zu den vier Gefährdungsarten zählten dabei – neben psychischen und körperlichen Misshandlungen – noch Vernachlässigungen und sexuelle Gewalt.

In 17 % aller Fälle von Kindeswohlgefährdung hatten die Behörden zwei verschiedene Gefährdungsarten festgestellt, in 3 % waren es drei und in 0,2 % der Fälle lagen sogar alle vier Gefährdungsarten vor. Am häufigsten hatten die mehrfach betroffenen Jungen oder Mädchen sowohl Vernachlässigungen als auch psychische Misshandlungen erlebt (6 % aller Fälle von Kindeswohlgefährdung). Die zweithäufigste Kombination bildeten 2019 psychische und körperliche Misshandlungen (ebenfalls 6 %). An dritter Stelle stand die Kombination aus Vernachlässigung und körperlicher Misshandlung (4 %).

Gut vier Fünftel (81 %) der Mehrfachbetroffenen waren Kinder unter 14 Jahren, knapp ein Fünftel Jugendliche von 14 bis 18 Jahren. Dabei waren die mehrfach betroffenen Mädchen und Jungen tendenziell etwas älter als der Durchschnitt aller Betroffenen. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der mehrfach betroffenen Kinder und Jugendlichen überdurchschnittlich gestiegen – und zwar um 15 % (Durchschnitt: +10 %).
Mit der Zahl der Gefährdungsarten steigt der Anteil der Inobhutnahmen und der Anrufungen der Familiengerichte
Mit der Zahl der Gefährdungsarten steigt auch der Anteil der Minderjährigen, die nach der Feststellung der Kindeswohlgefährdung zu ihrem Schutz in Obhut genommen wurden: Während dies in den Fällen mit einer Gefährdungsart auf 14 % der Kinder und Jugendlichen zutraf, waren es bei zwei Arten 22 %, bei drei Arten 27 % und bei allen vier Arten 40 %.
Noch ausgeprägter war dieser Zusammenhang bei den Anrufungen des Familiengerichts: Familiengerichte werden vom Jugendamt immer dann eingeschaltet, wenn der Kinderschutz durch mildere Mittel nicht (wieder) hergestellt werden kann. Die neuen Ergebnisse zeigen, dass das Familiengericht bei einer Gefährdungsart in 18 % der Fälle angerufen wurde. Bei zwei Gefährdungsarten traf dies auf 28 %, bei drei Arten auf 38 % und bei allen vier Gefährdungsarten auf 54 % der betroffenen Kinder und Jugendlichen zu. Damit lag dieser Anteil dreimal so hoch wie bei den Fällen mit einer Gefährdungsart.
Weitere Informationen:
Detaillierte Ergebnisse der Sonderauswertung zu den mehrfach betroffenen Kindern und Jugendlichen können der verlinkten Tabelle entnommen werden. Ausführliche Angaben der Statistik stehen in der Publikation „Gefährdungseinschätzungen“, in der Datenbank GENESIS-Online unter „Gefährdungseinschätzungen“ (Genesis Tabellen 22518) und in der Pressemitteilung Nr. 328 vom 27. August 2020 bereit. Weiterführende Ergebnisse zum Kinderschutz und andere Ergebnisse der Kinder- und Jugendhilfestatistiken befinden sich auf der Themenseite. Der Kinderschutz ist Bestandteil der Nachhaltigkeitsstrategie der Vereinten Nationen und wird im Monitoring der Agenda 2030 unter anderem im Indikator 16.2 aufgegriffen.
Hinweis:
Eine (akute oder latente) Kindeswohlgefährdung liegt vor, wenn eine erhebliche Schädigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls eines Kindes unmittelbar droht oder bereits eingetreten ist. In Verdachtsfällen sind die Jugendämter verpflichtet, im Rahmen einer Gefährdungseinschätzung (nach § 8a SGB VIII) das Gefährdungsrisiko und den Hilfebedarf abzuschätzen und der Gefährdung entgegenzuwirken. Dazu zählen in der Regel auch ein Hausbesuch und die Erörterung der Problemsituation mit dem Kind und – sofern dies dem Kinderschutz nicht widerspricht – den Sorgeberechtigten. Im Zweifel kann der Kinderschutz auch gegen den Willen der Sorgeberechtigten durch ein Familiengericht durchgesetzt werden.
Quelle: Pressemitteilung von Destatis vom 06.01.2021
Gesamten Beitrag lesen | Make a Comment ( Kommentare deaktiviert für Kindeswohlgefährdung: In jedem 5. Fall wurden mehrere Arten von Gewalt oder Vernachlässigung festgestellt )PFAD Interview: „Missbrauch an Kindern – Signale erkennen und kompetent handeln“

Anlässlich der Stellungnahme der BIP zum Gesetzentwurf zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder führte die Redaktion der PFAD Fachzeitschrift ein Online-Interview zum Thema „Missbrauch an Kindern – Signale erkennen und kompetent handeln„. Befragt wurden Elfriede Fischer, die beruflich viele Jahre im Pflegekinder- und Adoptionsdienst tätig war, und Renate Schusch, Traumaberaterin und Expertin für Opferschutz und Krisenbegleitung.
Der Text wurde mit hilfreichen weiterführenden Hinweisen angereichert und kann als informative Handreichung dienen.
zum Interview (erstmals erschienen in: PFAD Fachzeitschrift Jg. 34, Heft 4/2020, S. 25-28)
Gesamten Beitrag lesen | Make a Comment ( Kommentare deaktiviert für PFAD Interview: „Missbrauch an Kindern – Signale erkennen und kompetent handeln“ )PFAD Fachzeitschrift 4/2020: „Schutzraum Pflege- und Adoptivfamilie“


PFAD Heft 4/2020 „Schutzraum Pflege- und Adoptivfamilie“ ist online erschienen und wird ab Mitte des Monats in den Briefkästen unserer Mitglieder und Abonnent*innen liegen.
PFAD Vorsitzende Dagmar Trautner im Editorial:
Gerne würde ich meine einleitenden Worte ohne einen Hinweis auf Corona und die Pandemie beginnen. Während ich das schreibe, verkündigt die Bundesregierung gerade starke Einschränkungen für den November 2020. Wiederum ist die Begegnung mit Menschen stark reduziert. Sport und Freizeitmöglichkeiten entfallen. Zu Hause bleiben im Kreis der Familie wird die nächste Zeit bestimmen – verbunden mit allen Belastungen, die auf Familien einwirken, wie wir es aus dem ersten Lockdown kennen. Auch Kindergärten und Schulen können krankheitsbedingt und wegen Quarantänezeiten von Kindern und Pädagog*innen keine beständige Betreuungssituation bieten.
Die Familie bleibt der Mittelpunkt. Einen sicheren Ort des Aufwachsens in einer Pflege- und Adoptivfamilie wünschen wir allen uns anvertrauten Kindern und Jugendlichen. Dafür setzt sich der PFAD Verband seit seiner Gründung ein.
Inhaltsangabe und Editorial dieser Ausgabe
Näheres zur PFAD Fachzeitschrift
Radio-Tipp: „Lust auf Leben – Angelika und die Schatten ihrer Kindheit“

Vor zehn Jahren berichtete Angelika, wie sie als Kind hungerte und von ihrem Vater, Onkel und Bruder sexuell missbraucht wurde. Mit neun wurde sie vom Jugendamt aus der Familie genommen und in eine Pflegefamilie vermittelt. Nun trifft Autor Charly Kowalczyk die mittlerweile 30-Jährige wieder. Angelika lebt inkognito in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung. Die Kraft, ihren Vater und Onkel anzuzeigen hat sie (noch) nicht.
Würde es ihr helfen, wenn sexuelle Gewalt juristisch nicht verjährte? Und: Wie geht die Gesellschaft mit Tätern um, die von ihren Opfern nicht angezeigt werden und deshalb eine Gefahr für andere Kinder sein können?
Eine wertvolle und rare Langzeitbeobachtung!
Am 20.10 um 22.03 Uhr wiederholt Deutschlandfunk Kultur die preisgekrönte Sendung von 2010 „Angelika. Annäherung an ein Kinderleben„.
Die Fortsetzung „Lust auf Leben. Angelika und die Schatten ihrer Kindheit“ wird gesendet:
- am 27.10 um 22.03 Uhr – Deutschlandfunk Kultur
- am 30.10. um 20.05 Uhr – Deutschlandfunk
Sendungsseite: https://www.deutschlandfunkkultur.de/leben-nach-dem-missbrauch-eine-langzeitbeobachtung-lust-auf.3682.de.html?dram:article_id=482175
Charly Kowalczyk, 1957 in Singen (Baden-Württemberg) geboren, ist Mitgründer der Veranstaltungsreihe „bremer hörkino“. Sein Feature „Halts Maul, du lügst – Verdingkinder in der Schweiz“ (DLF/HR/SWR/WDR 2013) wurde mit dem Featurepreis ´13 der Stiftung Radio Basel ausgezeichnet, „Angelika – Annäherung an ein Kinderleben“ (DKultur/NDR 2010) mit dem Deutschen Sozialpreis, dem Robert Geisendörfer Preis und dem Medienpreis der Kinder- und Jugendärzte.
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Die Bundesinteressengemeinschaft der Pflegefamilienverbände (BiP) würdigt den Referentenentwurf des Gesetzes zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder als einen wichtigen Schritt für den Schutz von Kindern.
In seiner Stellungnahme an das Bundesjustizministerium betont der Zusammenschluss aus
- PFAD Bundesverband der Pflege- und Adoptivfamilien e.V.,
- Bundesverband behinderter Pflegekinder e.V. und
- AGENDA Pflegefamilien
vor allem die geplante Fortbildungspflicht für Familienrichterinnen und -richter.
zur Stellungnahme
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WIESBADEN – Die Jugendämter in Deutschland haben im Jahr 2019 bei rund 55 500 Kindern und Jugendlichen eine Kindeswohlgefährdung festgestellt. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) waren das 10 % oder rund 5 100 Fälle mehr als 2018. Die Zahl der Kindeswohlgefährdungen ist damit das zweite Jahr in Folge um 10 % auf einen neuen Höchststand angestiegen. Ein Grund für den Anstieg könnte die umfangreiche Berichterstattung über Missbrauchsfälle in den vergangenen beiden Jahren sein, die zu einer weiteren generellen Sensibilisierung der Öffentlichkeit sowie der Behörden geführt haben dürfte. Gleichzeitig können auch die tatsächlichen Fallzahlen gestiegen sein. Bundesweit hatten die Jugendämter 2019 über 173 000 Verdachtsfälle im Rahmen einer Gefährdungseinschätzung geprüft, das waren rund 15 800 mehr als im Vorjahr.

Den neuen Ergebnissen zufolge war jedes zweite gefährdete Kind jünger als 8 Jahre. Während Jungen bis zum Alter von 13 Jahren etwas häufiger betroffen waren, galt dies ab dem 14. Lebensjahr für Mädchen. Die meisten Minderjährigen wuchsen bei Alleinerziehenden (42 %), bei beiden Eltern gemeinsam (38 %) oder einem Elternteil in neuer Partnerschaft auf (11 %). Etwa die Hälfte der gefährdeten Kinder und Jugendlichen nahm zum Zeitpunkt der Gefährdungseinschätzung bereits eine Leistung der Kinder- und Jugendhilfe in Anspruch. Nur 4 % von ihnen suchten selbst Hilfe beim Jugendamt, am häufigsten kam aber ein Hinweis von Polizei, Gericht und Staatsanwaltschaft (22 %), Schulen und Kitas (17 %) oder aus dem privaten Umfeld beziehungsweise anonym (15 %).
Vernachlässigung ist am häufigsten, sexuelle Gewalt steigt am stärksten
Die meisten der rund 55 500 Kinder mit einer Kindeswohlgefährdung wiesen Anzeichen von Vernachlässigung auf (58 %). Bei rund einem Drittel aller Fälle (32 %) wurden Hinweise auf psychische Misshandlungen – dazu zählen beispielsweise Einschüchterungen, Demütigungen, Isolierung und emotionale Kälte – gefunden. In weiteren 27 % der Fälle gab es Indizien für körperliche Misshandlungen und bei 5 % Anzeichen für sexuelle Gewalt. Mehrfachnennungen waren hierbei möglich.

Auch wenn Kindeswohlgefährdungen durch sexuelle Gewalt mit rund 3 000 Fällen am seltensten festgestellt wurden, war hier prozentual ein besonders starker Anstieg zu beobachten: Von 2018 auf 2019 nahmen die Fälle durch sexuelle Gewalt um 22 % zu (+536 Fälle). Damit setzt sich der Trend aus dem Jahr 2018 fort. Damals hatte es im Vergleich zu 2017 einen ähnlich deutlichen Anstieg gegeben (+20 % bzw. +409 Fälle).
2019 registrierten die Jugendämter auch mehr betroffene Jungen: Bei ihnen betrug der Anstieg gegenüber dem Vorjahr sogar 30 % (+238 Fälle). Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass inzwischen auch Jungen häufiger als potenzielle Opfer sexueller Gewalt wahrgenommen werden. Trotz dieser Entwicklung sind Mädchen weiterhin am häufigsten betroffen: Etwa zwei Drittel der Kinder und Jugendlichen, bei denen 2019 eine Kindeswohlgefährdung durch sexuelle Gewalt festgestellt wurde, waren weiblich.
Erstmals mehr akute als latente Kindeswohlgefährdungen
In rund 28 000 Fällen wurde die Kindeswohlgefährdung 2019 von den Jugendämtern als eindeutig (akut) eingestuft, das waren 12 % mehr als im Vorjahr. In gut 27 500 weiteren Fällen gab es zwar ernstzunehmende Hinweise auf eine Gefährdung, der Verdacht konnte aber nicht endgültig bestätigt werden. Diese „latenten“ Kindeswohlgefährdungen sind 2019 ebenfalls angestiegen, allerdings etwas schwächer als die akuten Fälle (+8 %). Infolge dieser Entwicklungen hat erstmals seit Einführung der Statistik im Jahr 2012 die Zahl der akuten die der latenten Kindeswohlgefährdungen überschritten. Die Jugendämter sind in beiden Fällen verpflichtet, der Gefährdung entgegenzuwirken: So schaltete das Jugendamt in 20 % aller Fälle von Kindeswohlgefährdung das Familiengericht ein, in 16 % der Fälle nahm es die gefährdeten Kinder zu ihrem Schutz vorübergehend in Obhut.
Bei weiteren rund 59 100 Kindern und Jugendlichen hatte die Prüfung durch das Jugendamt zwar keine Kindeswohlgefährdung, aber weiteren Hilfe- und Unterstützungsbedarf ergeben (+12 %). Nicht bestätigen konnten die Jugendämter dagegen den Verdacht auf eine Gefährdung in rund 58 400 Fällen (+8 %), hier folgten auch keine weiteren Hilfen.
Hinweis:
Grundlage der Statistik ist das Bundeskinderschutzgesetz von 2012. Eine Kindeswohlgefährdung liegt vor, wenn eine erhebliche Schädigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls eines Kindes droht oder bereits eingetreten ist. In Verdachtsfällen sind die Jugendämter verpflichtet, im Rahmen einer Gefährdungseinschätzung (nach § 8a SGB VIII) das Gefährdungsrisiko und den Hilfebedarf abzuschätzen und der Gefährdung entgegenzuwirken. Dazu zählen in der Regel auch ein Hausbesuch und die Erörterung der Problemsituation mit dem Kind und – sofern dies dem Kinderschutz nicht entgegensteht – den Sorgeberechtigten. Im Zweifel kann der Kinderschutz auch durch ein Familiengericht gegen den Willen der Sorgeberechtigten durchgesetzt werden.
Weitere Informationen stehen im Tabellenband und in der Datenbank GENESIS-Online (Tabellen 22518) zur Verfügung.
Quelle: Destatis vom 27.08.2020
Gesamten Beitrag lesen | Make a Comment ( Kommentare deaktiviert für Kinderschutz: Jugendämter melden erneut 10 % mehr Kindeswohlgefährdungen )PFAD Fachzeitschrift 3/2020: „Kinder wahrnehmen und verstehen“


PFAD Vorsitzende Dagmar Trautner im Editorial:
„Ein halbes Jahr bestimmt Corona nun unser Leben. Nach wie vor sind Pflege- und Adoptivfamilien mit den veränderten Bedingungen konfrontiert. (…) Im entschleunigten Alltag konnten Familien (..) die Gelegenheit nutzen, besonders achtsam miteinander umzugehen. Wie viel Einfühlungsvermögen in die Gefühlswelt von Kindern und Jugendlichen erforderlich ist, zeigen die Artikel zu unserem Thema „Kinder wahrnehmen und verstehen“. Die Beiträge der Expert*innen stimmen darin überein, dass wir eine Menge für unsere Pflege- und Adoptivkinder erreichen können, wenn es uns gelingt, ihre Signale richtig einzuordnen, ihre Hilferufe zu verstehen und angemessen auf sie einzugehen.“
Inhaltsangabe und Editorial
Näheres zur PFAD Fachzeitschrift
Neue Kentler-Studie: Senatorin Scheeres und Universität Hildesheim stellen Abschlussbericht vor

Der am 15.06.2020 vorgelegte Abschlussbericht der Universität Hildesheim zum Wirken von Helmut Kentler belegt Kindesmissbrauch und Kindeswohlgefährdung in öffentlicher Verantwortung.
Auf Initiative Kentlers wurden in Berlin ab Ende der 1960er bis zu Beginn der 2000er Jahre bewußt Pflegestellen bei pädophilen, auch wegen Sexualdelikten vorbestraften Männern eingerichtet.
Die Berliner Senatorin für Bildung, Jugend und Familie Sandra Scheeres übernahm für das Land Berlin die Verantwortung für das Leid, das den Betroffenen angetan wurde und kündigte ihnen eine finanzielle Entschädigung an.
zur Pressemitteilung des Landes Berlin vom 15.06.2020
zum Abschlussbericht der Studie
Gesamten Beitrag lesen | Make a Comment ( Kommentare deaktiviert für Neue Kentler-Studie: Senatorin Scheeres und Universität Hildesheim stellen Abschlussbericht vor )2019 deutlich mehr Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung in Berlin und Brandenburg

Im vergangenen Jahr führten die Jugendämter in Berlin und Brandenburg 23 909 Verfahren zur Einschätzung der Gefährdung des Kindeswohls durch. Davon waren 17 050 Berliner und 6 859 Brandenburger Kinder und Jugendliche betroffen. In Berlin stieg die Anzahl der Verfahren gegenüber 2018 um 15 Prozent und in Brandenburg um 14 Prozent, teilt das Amt für Statistk Berlin-Brandenburg mit.
Akut gefährdet waren in Berlin 19 Prozent der betroffenen Kinder und Jugendlichen. In diesen Fällen war eine erhebliche Schädigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes oder Jugendlichen bereits eingetreten oder mit ziemlicher Sicherheit zu erwarten.
In 27 Prozent der Fälle lag eine latente Kindeswohlgefährdung vor. Dabei konnte die Frage nach der gegenwärtig tatsächlich bestehenden Gefahr nicht eindeutig beantwortet werden, aber es bestand weiterhin der Verdacht auf eine Kindeswohlgefährdung bzw. eine solche konnte nicht ausgeschlossen werden.
In 54 Prozent der Fälle wurde keine Gefährdung ermittelt, bei der Hälfte dieser Fällebestand jedoch Unterstützungsbedarf.
54 Prozent der akuten bzw. latenten Kindeswohlgefährdungen in Berlin betrafen Vernachlässigung, 17 Prozent körperliche und 26 Prozent psychische Misshandlungen. In 3 Prozent der Fälle mussten Verfahren wegen sexueller Gewalt eingeleitet werden. Je Fall sind mehrere Arten der Gefährdung möglich.
Während in Berlin fast jede zweite Einschätzung eine akute oder latente Gefährdung ergab, führte im Land Brandenburg jede dritte Gefährdungseinschätzung zu einem dieser Ergebnisse.
Bei 20 Prozent der betroffenen Brandenburger Kinder und Jugendlichen lag eine akute und bei 16 Prozent eine latente Gefährdung vor. In 33 Prozent der Fälle wurde zwar keine Gefährdung ermittelt, aber es bestand Hilfebedarf. In weiteren 31 Prozent der Fälle wurden weder Kindeswohlgefährdung noch Hilfebedarf festgestellt.
In weit über der Hälfte (1 773) der Brandenburger Fälle mit akuter oder latenter Kindeswohlgefährdung wurden die Kinder und Jugendlichen vernachlässigt. Anzeichen für körperliche und psychische Misshandlungen wurden in 479 (16 Prozent) bzw. 698 (23 Prozent) Fällen angegeben und eine Einschätzung, dass eine Gefährdung aufgrund sexueller Gewalt vorlag, betraf 132 Fälle (4 Prozent).
Häufig informierten Polizei, Gericht und Staatsanwaltschaft das Jugendamt (BE: 28 Prozent, BB: 17 Prozent). Auch anonyme Anzeigen gingen ein (BE: 6 Prozent, BB: 16 Prozent). Über Verwandte, Bekannte und Nachbarn wurden in Berlin 7 Prozent und in Brandenburg 12 Prozent der Verfahren initiiert.In 23 Prozent der Berliner und in 13 Prozent der Brandenburger Fälle waren die Kita bzw. Tagespflegeperson oder die Schule die Auslöser. 10 Prozent der Berliner und 11 Prozent der Brandenburger Verfahren wurden durch die Minderjährigen bzw. Eltern oder Erziehungsberechtigten selbst angestoßen.
Als Folge der Gefährdungseinschätzung wurden in Berlin für jedes achte und in Brandenburg für jedes vierte Kind ambulante oder teilstationäre Hilfen zur Erziehung neu eingeleitet bzw. geplant. Unterstützung nach §§ 16-18 SGB VIII wurde für 1 301 Fälle in Berlin und 541 Fälle in Brandenburg gewährt. Hierbei handelt es sich um Leistungen zur allgemeinen Förderung der Erziehung in der Familie und Beratung in Fragen der Partnerschaft, Trennung oder Scheidung sowie die Beratung und Unterstützung bei der Ausübung der Personensorge und des Umgangsrechts. 654 Berliner und 369 Brandenburger Kinder oder Jugendliche wurden im Rahmen der vorläufigen Schutzmaßnahmen in Obhut genommen. In 1 173 Fällen in Berlin und 576 Fällen in Brandenburg musste das Familiengericht angerufen werden.
Weitere Ergebnisse der Gefährdungseinschätzungen nach § 8a SGB VIII für die Länder Berlin und Brandenburg beinhaltet der Statistische Bericht K V 10 zum kostenfreien Herunterladen unter: www.statistik-berlin-brandenburg.de.
Quelle: Amt für Statistk Berlin-Brandenburg vom 26.05.2020
Gesamten Beitrag lesen | Make a Comment ( Kommentare deaktiviert für 2019 deutlich mehr Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung in Berlin und Brandenburg )Artikel: „Medizinischer Kinderschutz: Abklärung unter einem Dach“

Eine Studie über fünf regionale Medizinische Kinderschutzambulanzen in Berlin von 2016-18 plädiert für die Sicherung der Finanzierung und den flächendeckenden Ausbau von interdisziplinären Kinderschutzambulanzen als Bindeglied zwischen Kinder- und Jugendhilfe und Medizin. Sie wird vorgestellt im Artikel „Medizinischer Kinderschutz: Abklärung unter einem Dach“ im Deutschen Ärzteblatt.
Gesamten Beitrag lesen | Make a Comment ( Kommentare deaktiviert für Artikel: „Medizinischer Kinderschutz: Abklärung unter einem Dach“ )Bilanz 10 Jahre „Missbrauchsskandal“

Heute zog der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, gemeinsam mit Matthias Katsch, Philosoph und Sprecher der Betroffeneninitiative Eckiger Tisch e.V., der den sogenannten „Missbrauchsskandal“ am Berliner Canisius-Kolleg vor zehn Jahren maßgeblich ins Rollen brachte, und mit Silke Noack, Sozialpädagogin und Leiterin des bundesweiten „Hilfetelefon Sexueller Missbrauch“, eine kritische Bilanz der bisherigen Anstrengungen gegen Missbrauch in Deutschland.
Rörig: „[…] Ich bin immer wieder erschrocken darüber, mit welcher Gelassenheit sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche von Teilen der Gesellschaft hingenommen wird. Tausende Kinder werden jährlich Opfer von sexuellem Missbrauch, sexuellem Mobbing, Cybergrooming oder Kinderpornografie. Missbrauchsabbildungen durchfluten mittlerweile in Terrabyte-Dimensionen das Netz. Wir brauchen klare Ziele, verbindliche Maßnahmen und ausreichend Geld, um Missbrauch aufzudecken und Kinder endlich besser zu schützen.“ […] „Sexuelle Gewalt kann nur dann wirkungsvoll bekämpft werden, wenn sich alle gesellschaftlichen Kräfte verbünden, um sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche den Kampf anzusagen. Wir brauchen für Deutschland einen Pakt gegen Missbrauch. Einen Pakt für ein gemeinsames großes Ziel: Maximale Reduzierung der Zahl der Fälle von sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen“, so Rörig. „Dieser Pakt braucht die uneingeschränkte Unterstützung von allen Bürgerinnen und Bürgern, von Bund, Ländern und Kommunen, den politischen Parteien, der Zivilgesellschaft wie Kirchen, Wohlfahrt, Sport, aber auch des Gesundheitswesens oder der Internetwirtschaft, die alle auf dieses Ziel hinarbeiten.“ Der neue Nationale Rat, das von Bundesministerin Dr. Giffey und Rörig im Dezember 2019 einberufene Spitzengremium aus Politik, Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Praxis und Betroffenen, biete eine starke Plattform für diesen Pakt.
Rörig wiederholte heute seine Forderungen nach
- einer programmatischen Verantwortung der politischen Parteien,
- Stärkung von Beratungs- und Ermittlungsstrukturen und
- Ausbau von Prävention und Sensibilisierung der Öffentlichkeit.
„Ich erwarte eine deutlichere Haltung der Politik. Für mich gehören klare Forderungen, Vorgaben und finanzielle Untermauerung in jedes Parteiprogramm und in jeden Koalitionsvertrag, auf Bundes- und auf Länderebene“, so Rörig. […] Um die Erreichung der Ziele messbar zu machen, brauche es zudem eine regelmäßige Prävalenz- und Wirkungsforschung. „Wir müssen noch viel genauer wissen, wie viele Kinder betroffen sind und welche Wirkung Maßnahmen der Prävention konkret entfalten“, so Rörig. Er hoffe sehr, dass im Rahmen des Nationalen Rates bald eine nationale Forschungsstrategie entwickelt werde.
Matthias Katsch, Betroffeneninitiative Eckiger Tisch e.V., bilanzierte: „Auch zehn Jahre nach der Aufdeckung sexueller Gewalt in zahlreichen Bildungseinrichtungen und einer verstärkten Debatte über Missbrauch von Kindern im Kontext ihrer Familie wird sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche noch immer nicht als zentrale gesellschaftliche Herausforderung für unser Land angenommen. Beide Kirchen haben in den vergangenen Jahren Aufklärung und Aufarbeitung über den Umgang ihrer Institutionen mit Verbrechen ihrer Mitarbeitenden vielfach verschleppt. Erst jetzt beginnen sie, sich ihrer Verantwortung zu stellen und machen sich an unabhängige und umfassende Aufarbeitungsprozesse. Immer noch werden die Opfer eher stigmatisiert, als dass ihnen notwendige Hilfe und Unterstützung angeboten wird. Das Bewusstsein für die „Normalität“ von sexuellem Kindesmissbrauch in unserer Gesellschaft ist zwar – vor allem durch die Hartnäckigkeit von Betroffenen und ihre neugewonnenen Unterstützer*Innen – gestiegen, aber wir sind institutionell wie als Gesellschaft noch weit davon entfernt, diese Gewaltform in der kommenden Generation zu überwinden.“
Mehr Aufklärung und Sensibilisierung
Abschließend forderte Rörig eine breit angelegte Aufklärungs- und Sensibilisierungskampagne. Es sei wichtig, dass offen über das Thema gesprochen werde und Alle Bescheid wüssten. Betroffene berichteten immer wieder, wie häufig vor allem das nahe Umfeld versagt habe, weil Mitwissende weggesehen und nicht geholfen hätten. „Taten verhindern heißt auch, Anbahnungsprozesse von Tätern und Täterinnen und Signale von Kindern überhaupt wahrnehmen zu können.“ Leider habe er bis heute keine Gelder, um eine solche Kampagne umzusetzen.
Mit dem neuen Spot „Anrufen hilft!“ möchte Rörig auf das bundesweite Angebot des „Hilfetelefon Sexueller Missbrauch“ (0800 22 55 530) hinweisen und Menschen aktivieren, dort anzurufen, wenn sie sich Sorgen um ein Kind machen. Silke Noack, Leiterin „Hilfetelefon Sexueller Missbrauch“: „Es ist wichtig, dass Menschen aufmerksam werden und sich trauen hinzuschauen, damit sexuelle Gewalt an Kindern aufgedeckt und schneller beendet wird. Viele Menschen aus dem Umfeld von Kindern haben ein komisches Gefühl, wissen aber nicht, was sie machen sollen. Wir bieten Menschen Rat und Unterstützung, die einem Kind helfen wollen oder selbst von sexuellem Missbrauch betroffen sind.“ Am Hilfetelefon arbeiten über 20 psychologisch und/oder pädagogisch ausgebildete Fachkräfte mit jahrelanger Erfahrung in der Beratung und Begleitung bei sexuellem Kindesmissbrauch. Seit Beginn des Hilfetelefons in 2010 wurden über 43.000 Beratungsgespräche geführt. Die Beratung erfolgt bundesweit, kostenfrei und anonym.
Den Spot „Anrufen hilft!“, bei dem Regisseurin Caroline Link (u. a. „Nirgendwo in Afrika“, „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“) pro bono Regie führte, stellte sie heute persönlich in Berlin vor: „Zu erfahren, wie viele Kinder und Jugendliche in unserer Gesellschaft unter sexuellem Missbrauch leiden, hat mich überrascht und schockiert. Wenn es uns mit dem Spot gelingt, Kindern in dieser beklemmenden Lebenssituation zu helfen, wäre ich sehr froh. Kinder sollen Kinder sein dürfen. Ihre körperliche und seelische Unversehrtheit ist mir ein großes Anliegen.“
Der Spot wird ab heute auf zahlreichen TV-Sendern, in Kinos, auf Social Media und auf der gleichnamigen Website zum Spot www.anrufen-hilft.de sichtbar sein. Umgesetzt wurde er von der Claussen + Putz Filmproduktion GmbH und der Agentur ressourcenmangel.
Quelle: Pressemitteilung des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs vom 28.01.2020
Gesamten Beitrag lesen | Make a Comment ( Kommentare deaktiviert für Bilanz 10 Jahre „Missbrauchsskandal“ )Studie: Belastende Kindheitserlebnisse haben lebenslange Folgen

Das Deutsche Ärzteblatt veröffentlicht Ergebnisse einer Studie zu „Prävalenz und Folgen belastender Kindheitserlebnisse in der deutschen Bevölkerung„.
Sie zeigt auf, dass belastende Kindheitserlebnisse häufig sind und deren Anhäufung zu deutlich erhöhten negativen Folgen für die Betroffenen führt. Insgesamt gaben 43,7 % der Befragten mindestens ein belastendes Kindheitserlebnis an, 8,9 % berichteten sogar von vier oder mehr Vorkommnissen.
Am häufigsten wurden elterliche Scheidung/Trennung (19,4 %), Alkoholkonsum und Drogenmissbrauch in der Familie (16,7 %), emotionale Vernachlässigung (13,4 %) und emotionale Misshandlung (12,5 %) genannt. Die Hochrisikogruppe mit vier oder mehr belastenden Kindheitserlebnissen zeigte ein signifikant erhöhtes Risiko für Depressivität, Ängstlichkeit, körperliche Aggressivität und eingeschränkte Lebenszufriedenheit.
zum Artikel in Dtsch Arztebl Int 2019; 116: 635-42; DOI: 10.3238/arztebl.2019.0635
Gesamten Beitrag lesen | Make a Comment ( Kommentare deaktiviert für Studie: Belastende Kindheitserlebnisse haben lebenslange Folgen )Nationaler Rat gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen eingerichtet

Zehn Jahre nach Einrichtung des Runden Tisches „Sexueller Kindesmissbrauch“ kommt heute der „Nationale Rat gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen“ zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen.
Auf Einladung von Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey und Johannes-Wilhelm Rörig, dem Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, treffen sich mehr als 40 hochrangige staatliche und nicht-staatliche Akteure im Bundesfamilienministerium. Der Nationale Rat ist der Ort für den langfristig angelegten interdisziplinären Dialog auf den Ebenen von Bund, Ländern und Kommunen zur dauerhaften Bekämpfung von sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche und deren Folgen. Dem Gremium gehören neben Vertreterinnen und Vertretern aus Politik und Wissenschaft, der Zivilgesellschaft und der Fachpraxis auch Betroffene an. Der Rat soll bis Sommer 2021 eine Verständigung über konkrete Ziele und Umsetzungsschritte erarbeiten, um die Prävention, Intervention und Hilfen für betroffene Kinder und Jugendliche spürbar zu verbessern und die Forschung weiter voranzubringen.
Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey:
„Sexualisierte Gewalttaten gegen Kinder und Jugendliche sind keine Einzelfälle, sondern ein Problem, das die gesamte Gesellschaft angeht. Daher ist es wichtig, dass wir beim Kampf gegen sexuellen Missbrauch alle an einem Strang ziehen. Es ist unsere gemeinsame Pflicht, Kinder und Jugendliche zu schützen und dafür zu sorgen, dass sie gut aufwachsen. Daher müssen wir alle zusammen für wirksame Schutzkonzepte und Hilfen sorgen. Das heutige Bekenntnis zur Zusammenarbeit ist fast 10 Jahre nach dem Runden Tisch „Sexueller Kindesmissbrauch“ ein weiterer wichtiger Schritt und ein Startschuss für einen Schulterschluss auf höchster Ebene zwischen Staat, Zivilgesellschaft, Verantwortungsträgern, Wissenschaft und Betroffenen.“
Der Nationale Rat gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen ist nach der dauerhaften Einrichtung des Amtes eines Unabhängigen Beauftragten mit einem Betroffenenrat und mit der Verlängerung der Arbeit der Unabhängigen Aufarbeitungskommission der nächste große Meilenstein. Ziel des Nationalen Rates soll sein, sich gemeinsam als Verantwortungsgemeinschaft über die nächsten konkreten Schritte im Kampf gegen sexuellen Missbrauch zu verständigen. Alle Verantwortungsträger sollen hierzu in ihrer Zuständigkeit einen Beitrag leisten.
Unabhängiger Beauftragter Johannes-Wilhelm Rörig:
„Wenn wir uns die ungebrochen hohen Fallzahlen und die Missbrauchsfälle von Staufen, Lügde oder jetzt Bergisch-Gladbach vor Augen führen, ist völlig klar, dass tausende Kinder und Jugendliche in Deutschland nicht ausreichend vor sexueller Gewalt geschützt sind. Wir müssen von 1 bis 2 betroffenen Kindern in jeder Schulklasse ausgehen – dieses Ausmaß darf nicht länger hingenommen werden. Für die Arbeit des Nationalen Rates habe ich mir große Ziele gesetzt. Wir müssen in Deutschland dringend einen spürbaren Rückgang der Missbrauchsfälle erreichen. Betroffene Kinder und Jugendliche dürfen künftig nicht mehr übersehen und sexueller Missbrauch muss früher beendet, sowie die Folgen sexueller Gewalt maximal gelindert werden. Besonders liegt mir zudem eine Verständigung zu einer umfassenden Prävalenz- und Wirkungsforschung in Deutschland und eine bundesweite Aufklärungs- und Sensibilisierungsinitiative, in der Dimension der Anti-AIDS-Kampagne, am Herzen.
Betroffenenrat beim Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs: „Der Betroffenenrat begrüßt, dass mit dem Nationalen Rat eine konzentrierte, gesamtgesellschaftliche Anstrengung unternommen wird, Kinder und Jugendliche und deren Schutz vor sexualisierter Gewalt in den Mittelpunkt gemeinsamen Handelns zu stellen. Erstmalig werden Betroffene mit ihrer fachlichen Expertise und ihrem Erfahrungswissen von Beginn an in diese gesamtgesellschaftlichen Anstrengungen einbezogen. Für den Betroffenenrat ist das ein Erfolg auch seiner Arbeit in den vielfältigen Themenfeldern gemeinsam mit dem Unabhängigen Beauftragten und verschiedenen Ministerien der Bundesregierung. Wir setzen durch die Arbeit des Nationalen Rates auf ein gestärktes konsequentes Handeln mit dem Ziel, am Bedarf Betroffener orientiert in flächendeckende Unterstützung und Hilfe, in Fachberatungsstellen, in Ausbildung und Qualifizierung, in Aufarbeitung und Prävention zu investieren.“
Bis zum Sommer 2021 soll der Nationale Rat sich zu konkreten Zielen und Umsetzungsschritten verständigt haben.
Die Teilnehmenden-Liste der konstituierenden Sitzung sowie die Arbeitsstruktur des Nationalen Rates finden Sie unter www.bmfsfj.de bzw. unter www.beauftragter-missbrauch.de im Pressebereich.
Quelle: Pressemitteilung des UBSKM und des BMFSFJ vom 02.12.2019
Gesamten Beitrag lesen | Make a Comment ( Kommentare deaktiviert für Nationaler Rat gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen eingerichtet )Hilfe für Betroffene sexualisierter Gewalt wird fortgesetzt
Betroffene sexualisierter Gewalt im Kindes- und Jugendalter sollen weiterhin Hilfen vom Bund erhalten. Das Bundeskabinett hat am 26.06.2019 mit dem Bundeshaushaltsentwurf für 2020 beschlossen, dass die Finanzierung des Fonds „Sexueller Missbrauch im familiären Bereich“ fortgesetzt wird. Anträge auf Hilfen an den Fonds können damit weiterhin gestellt werden. Bisher sind rund 11.500 Anträge eingegangen. Vorbehaltlich der Zustimmung durch das Parlament werden die Mittel im Vergleich zu 2019 um 28,4 Millionen Euro auf 45,4 Millionen Euro aufgestockt.
Dazu erklärt Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey: „Menschen, die in ihrer Kindheit oder Jugend sexuelle Gewalt erlebt haben, leiden oft ihr ganzes Leben an den Folgen. Auch wenn inzwischen mehr getan wird für Aufklärung, Prävention und bei der Strafverfolgung, wissen wir auch, dass sich weiterhin Betroffene beim Fonds melden werden. Dafür sprechen die Opferzahlen aus der Polizeilichen Kriminalstatistik, die bis heute auf einem hohen Niveau liegen. Die Weiterführung des Fonds Sexueller Missbrauch ist für mich deshalb auch eine Frage der politischen Glaubwürdigkeit. Der Fonds Sexueller Missbrauch ermöglicht die Unterstützung, die Betroffene benötigen. Das Leid kann dadurch nicht ungeschehen gemacht werden. Aber mit dem heutigen Beschluss können wir dazu beitragen, die Situation von Opfern sexualisierter Gewalt spürbar zu verbessern.“
Im Zuge der Weiterführung des Fonds ist es zentrales Ziel, die Bearbeitungszeiten für die Anträge deutlich zu reduzieren und organisatorische und auch inhaltliche Optimierungsmaßnahmen fortzusetzen, um die Hilfe nicht nur niedrigschwellig und passgenau, sondern auch zeitnah gewähren zu können. Die Geschäftsstelle des Fonds soll dazu künftig beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) angesiedelt werden. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Fonds erhalten mit dem Haushaltsbeschluss eine langfristige Beschäftigungsperspektive.
Der Fonds „Sexueller Missbrauch im familiären Bereich“ besteht seit Mai 2013 als ergänzendes Hilfesystem für Betroffene, die als Kinder und Jugendliche im familiären Bereich sexualisierte Gewalt erfahren haben. Er bietet niedrigschwellige und bedarfsgerechte Hilfen, die bei der Abmilderung bzw. Überwindung von heute noch bestehenden Folgeschäden des Missbrauchs unterstützen sollen. Betroffene können Sachleistungen wie z.B. Therapien in Höhe von maximal 10.000 Euro erhalten. Bei behinderungsbedingtem Mehraufwand zur Inanspruchnahme der Hilfen werden zusätzlich bis zu 5.000 Euro gewährt. Die Leistungen sind gegenüber gesetzlichen Leistungen und gegebenenfalls bestehenden und durchsetzbaren zivilrechtlichen Ansprüchen nachrangig. Ein Rechtsanspruch auf Hilfen aus dem Fonds besteht nicht.
Weitere Informationen: www.fonds-missbrauch.de
Quelle: Pressemitteilung des Bundesfamilienministeriums vom 26.06.2019
Gesamten Beitrag lesen | Make a Comment ( Kommentare deaktiviert für Hilfe für Betroffene sexualisierter Gewalt wird fortgesetzt )Neues Beratungsangebot „berta“ für Betroffene organisierter sexualisierter und ritueller Gewalt startet am 03.05.2019
Berlin, 02.05.2019. Am 3. Mai 2019 startet beim „Hilfetelefon Sexueller Missbrauch“ das neue telefonische Angebot „berta“ (Tel. 0800 3050750) – die erste bundesweite, kostenfreie und anonyme Anlaufstelle für Betroffene von organisierter sexualisierter und ritueller Gewalt. „berta“ bietet Menschen Entlastung, Beratung und Unterstützung beim Ausstieg aus organisierten sexualisierten und rituellen Gewaltstrukturen und unterstützt darüber hinaus alle, die sich um jemanden sorgen, einen Verdacht haben oder Informationen zum Thema suchen. „berta“ ist Teil des „Hilfetelefon Sexueller Missbrauch“, dem telefonischen Unterstützungsangebot des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) unter der fachlichen Leitung von N.I.N.A. e. V. (Nationale Infoline, Netzwerk und Anlaufstelle zu sexueller Gewalt an Mädchen und Jungen).
Die Fachkräfte von „berta“ sind psychologisch und pädagogisch ausgebildet und verfügen über langjährige persönliche Erfahrungen mit organisierter und ritueller Gewalt. Sie beraten beim Ausstieg und allen damit verbundenen Fragen. Sie geben Informationen und zeigen – wenn gewünscht – weitere Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung auf. Jedes Gespräch bei „berta“ bleibt vertraulich. Der Schutz der persönlichen Daten ist zu jedem Zeitpunkt garantiert.
Johannes-Wilhelm Rörig, Unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM): Mit „berta“ wollen wir Betroffene beim schweren Ausstieg aus organisierten sexualisierten und rituellen Gewaltstrukturen unterstützen. Betroffene brauchen nicht nur unsere Ermutigung sich anzuvertrauen. Sie brauchen auch aktive Unterstützung beim Ausstieg, da diese Form der Gewalt häufig in sehr abgeschotteten Strukturen ausgeübt wird und das bestehende Hilfesystem meist nicht greift. Betroffene berichten, dass sie massiv unter Schweigegebote gesetzt, erpresst und verfolgt werden und dass ihnen meist nicht geglaubt wird, wenn sie sich anvertrauen. Hier ist noch viel Aufklärungsarbeit notwendig, bei psychologischen und pädagogischen Fachkräften, aber auch bei Justiz und Politik. Wir brauchen spezifische Hilfen und Ausstiegsangebote für diese Betroffenengruppe und mehr Forschung zu dieser besonderen Gewaltform, die in Gesellschaft, Wissenschaft und in der Fachszene bisher noch wenig anerkannt ist und von vielen nicht für möglich gehalten wird.“
Silke Noack, Leiterin „Hilfetelefon Sexueller Missbrauch“ und „berta“: „Für Menschen, die organisierte sexualisierte oder rituelle Gewalt erfahren haben, ist es besonders schwer, Schutz und Unterstützung zu erhalten. Die Existenz ritueller Gewalt wird noch immer – auch von Fachkräften – in Frage gestellt. Das liegt vor allem daran, dass die Berichte der Betroffenen über die erlebte Gewalt und die Bedrohung für viele Menschen das Aushaltbare weit übersteigen. Mit „berta“ bringen wir jetzt erstmals ein bundesweites Unterstützungsangebot auf den Weg, das die besonderen Herausforderungen des Themas aufgreift und betroffenen Menschen begleitend zur Seite steht. Das Besondere ist die unbürokratische professionelle Beratung bei akuten Fragen sowie die Möglichkeit, bei Bedarf auch über einen längeren Zeitraum hinweg von „berta“ telefonisch begleitet zu werden. Die Fachkräfte am Telefon wissen, wie wichtig es ist, den Weg selbst zu bestimmen. Sie sind da, hören zu und begleiten – auch wenn es schwierig wird.“
Definition organisierte sexualisierte und rituelle Gewalt:
In organisierten und rituellen Gewaltstrukturen wird die systematische Anwendung schwerer sexualisierter Gewalt in Verbindung mit körperlicher und psychischer Gewalt an Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen durch die Zusammenarbeit mehrerer Täter und Täterinnen bzw. Täternetzwerke ermöglicht. Häufig ist dies mit kommerzieller sexueller Ausbeutung verbunden. Dient eine Ideologie zur Begründung oder Rechtfertigung der Gewalt, wird dies als rituelle Gewalt bezeichnet. In manchen Gewaltstrukturen sind Familien generationenübergreifend eingebunden. Organisierte und rituelle Gewaltstrukturen können eine umfassende Kontrolle und Ausbeutung von Menschen durch Mind-Control-Methoden beinhalten. Die planmäßige wiederholte Anwendung schwerer Gewalt erzwingt spezifische Dissoziationen bzw. eine gezielte Aufspaltung der kindlichen Persönlichkeit und führt dazu, dass Betroffenen, die sich anvertrauen, vielfach nicht geglaubt wird.
Definition des „Fachkreis Sexualisierte Gewalt“ beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Kinder (BMFSFJ): https://www.bundeskoordinierung.de/de/topic/51.rituelle-und-organisierte-gewalt.html
Berichte und Studien:
Bei der vom UBSKM eingerichteten Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs haben sich von 2016 bis 2019 42 Betroffene von organisierter sexualisierter und ritueller Gewalt gemeldet. In einer Studie unter der Leitung des Kommissionsmitglieds Prof. Peer Briken, UKE Hamburg, an der 165 Betroffene teilgenommen haben, konnten die aus der Praxiserfahrung bekannten Themen erhoben und differenziert werden. Es wurde eine hohe Inanspruchnahme des psychosozialen Versorgungs- und Gesundheitssystem deutlich – bei immer noch ausgeprägten Versorgungslücken. Prof. Peer Briken: „Erfahrungen von sexueller Gewalt und Ausbeutung in Verbindung mit organisierter ritueller Gewalt sind bisher gesellschaftlich, traumatherapeutisch und wissenschaftlich wenig anerkannt. Daher geraten auch Professionelle in der Begleitung dieser Klientinnen und Klienten häufig in rechtliche, fachliche und ethische Grauzonen und an Grenzen der kollegialen Unterstützung. Das Hilfetelefon „berta“ bietet jetzt ein wichtiges und dringend notwendiges Angebot zur Beratung und Unterstützung für Betroffene und Professionelle.“
s. auch Bilanzbericht der Kommission, S. 118 ff unter https://www.aufarbeitungskommission.de/bilanzbericht_2019/ sowie Zeitschrift Trauma und Gewalt https://www.traumaundgewalt.de/article/pdf/5b6c4732536f88fd588b4587/tg_2018_03_0244-0261_0244_01
berta – Beratung und telefonische Anlaufstelle für Betroffene organisierter sexualisierter und ritueller Gewalt
Tel. 0800 3050750 (bundesweit, anonym und kostenfrei)
Sprechzeiten: Dienstag: 16 bis 20 Uhr und Freitag: 9 bis 13 Uhr (außer an Feiertagen und am 24. und 31. Dezember).
ab 3. Mai 2019 unter www.berta-telefon.de
Weitere Informationen und Hilfeangebote:
Hilfetelefon Sexueller Missbrauch – Beratung für Betroffene, Angehörige, Fachkräfte und weitere Interessierte
Tel. 0800 2255530 (bundesweit, anonym und kostenfrei)
Hilfeportal Sexueller Missbrauch – Datenbank mit Hilfe- und Beratungsangeboten vor Ort: www.hilfeportal-missbrauch.de
www.beauftragter-missbrauch.de
www.nina-info.de
Quelle: Pressemitteilung des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs vom 02.05.2019
Gesamten Beitrag lesen | Make a Comment ( Kommentare deaktiviert für Neues Beratungsangebot „berta“ für Betroffene organisierter sexualisierter und ritueller Gewalt startet am 03.05.2019 )Bundesregierung: Kinderschutz wird gezielt gefördert
Berlin: (hib/PK) Der Kinder- und Jugendschutz wird nach Angaben der Bundesregierung auf vielfältige Weise gefördert. So sei im Oktober 2017 die Bundesstiftung „Frühe Hilfen“ errichtet worden, die Familien psychosoziale Unterstützung gewähre. Der Bund stelle für diese Aufgabe dauerhaft jährlich 51 Millionen Euro zur Verfügung, heißt es in der Antwort (19/8237) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (19/7998) der AfD-Fraktion.
Auch Vorkehrungen gegen das Schütteltrauma gehörten zu den Vorhaben im Bereich Frühe Hilfen. Daneben sei die Prävention von sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche ein zentrales Anliegen der Bundesregierung. Daher werde die Initiative „Trau Dich“ bis 2022 fortgeführt.
2017 wurde den Angaben zufolge auch das bundesweite Modellprojekt „Beraten und Stärken“ bis 2020 verlängert. Ziel des Projektes sei die nachhaltige Verbesserung des Schutzes von Mädchen und Jungen mit Behinderungen vor sexualisierter Gewalt in Institutionen.
Kinder und Jugendliche sollen außerdem an die kompetente Nutzung digitaler Medien herangeführt werden. Neben dem Schutz vor ungeeigneten Inhalten und Kontaktrisiken geht es dabei auch um die Sensibilisierung aller Altersgruppen.
Gesamten Beitrag lesen | Make a Comment ( Kommentare deaktiviert für Bundesregierung: Kinderschutz wird gezielt gefördert )Bundesfamilienministerium: Mit starken Strukturen gegen Kindesmissbrauch
Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche ist auch in Deutschland immer noch trauriger Alltag – in der analogen wie in der digitalen Welt. Deshalb hat das Bundeskabinett am 12.12.2018 das von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey vorgelegte „Konzept zur dauerhaften Stärkung der Strukturen für Schutz, Prävention und Intervention bei sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend“ beschlossen. Kern ist die dauerhafte Einrichtung des Amtes einer/eines Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs.
Bundesfamilienministerin Giffey betont: „Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche ist grausam und reißt Wunden, die oft ein ganzes Leben lang nicht verheilen. Es geht nicht um bedauernswerte Einzelfälle, sondern um ein großes gesamtgesellschaftliches Problem. Wenn wir von etwa einer Million betroffener Kinder sprechen, müssen wir uns klarmachen, dass statistisch gesehen in jeder deutschen Schulklasse ein bis zwei betroffene Kinder sitzen. Umso wichtiger ist es, dass wir jetzt die Strukturen auf Bundesebene spürbar stärken und damit auch ein klares Signal gegen Kindesmissbrauch setzen. Die Arbeit des Unabhängigen Beauftragten hat in den vergangenen Jahren entscheidend dazu beigetragen, dass das Thema aus der Tabuzone geholt wurde und Verbesserungen bei Schutz und Hilfe, beispielsweise in Schulen, geschaffen wurden. Wir müssen uns mit aller Kraft dafür einsetzen, damit jedes Kind frei von sexualisierter Gewalt aufwachsen kann.“
Unabhängiger Beauftragter Johannes-Wilhelm Rörig „Ich danke der Bundesregierung und Bundesfamilienministerin Dr. Giffey für diese wichtige Entscheidung. Der heutige Kabinettbeschluss zeigt, dass sich unser Blick auf sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in den letzten Jahren grundlegend geändert hat. Das enorme Ausmaß und die schweren Folgen sind in Politik und Gesellschaft angekommen. Das ist den vielen Kinderschützern und Mitstreitern zu verdanken, vor allem aber den Betroffenen und ihrem Mut, über das erlittene Leid zu sprechen. Die dauerhafte Einrichtung der Stelle einer/eines Missbrauchsbeauftragten in Deutschland ist für mich ein starkes „Ja“ der Bundesregierung, dem Thema sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche künftig eine hohe Priorität einzuräumen. Kinder haben ein Recht auf unseren Schutz und unsere Hilfe. Hierfür brauchen wir Strukturen, die sich dauerhaft dafür einsetzen.“
Im „Konzept zur dauerhaften Stärkung der Strukturen für Schutz, Prävention und Intervention bei sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend“ bleibt der/die Unabhängige Beauftragte eine zentrale Säule. Er/Sie wird die Bundesregierung bei der Verbesserung von Schutz und Hilfen unterstützen, Handlungsbedarfe identifizieren und weiterhin wichtige Sensibilisierungs- und Aufklärungsarbeit leisten.
An der Seite des/der Unabhängigen Beauftragten wird zudem auch weiterhin ein ehrenamtlich tätiger Betroffenenrat arbeiten, der dauerhaft eine strukturierte Beteiligung von Betroffenen auf Bundesebene gewährleistet. Bundesfamilienministerin Giffey beruft hierzu 12 bis 18 Personen, die in der Kindheit oder Jugend sexualisierte Gewalt erfahren haben.
Zudem wird die Laufzeit der vom Unabhängigen Beauftragten berufenen Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs bis Ende 2023 verlängert. Die Kommission soll weiterhin über Ausmaß, Ursachen und Folgen von sexualisierter Gewalt gegen Minderjährige aufklären, Betroffene anhören, Wege zur Anerkennung des Unrechts aufzeigen, Forschungslücken identifizieren und Empfehlungen zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt sowie deren Aufarbeitung unterbreiten.
Im Jahr 2017 wurden laut Polizeilicher Kriminalstatistik (PKS) etwa 13.000 Fälle sexuellen Missbrauchs angezeigt sowie fast 8.000 Fälle von Missbrauchsabbildungen, sog. Kinder- und Jugendpornografie. 1.600 Opfer waren jünger als sechs Jahre. Aktuelle Forschungen lassen den Schluss zu, dass jede/r siebte bis achte Erwachsene in Deutschland sexuelle Gewalt in Kindheit und Jugend erlitten hat. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht für Deutschland von einer Million betroffener Mädchen und Jungen aus, die sexuelle Gewalt erlebt haben oder erleben. Das sind pro Schulklasse ein bis zwei betroffene Kinder. Sexualisierte Gewalt in der Kindheit und Jugend hat einen wesentlichen Einfluss auf die Lebensverläufe und Chancen von betroffenen Menschen und belastet sie häufig ein Leben lang.
Weitere Informationen und Hilfeangebote finden Sie unter: www.beauftragter-missbrauch.de, www.aufarbeitungskommission.de, www.hilfeportal-missbrauch.de
Quelle: Pressemitteilung des Bundesfamilienministeriums vom 12.12.2018
Gesamten Beitrag lesen | Make a Comment ( Kommentare deaktiviert für Bundesfamilienministerium: Mit starken Strukturen gegen Kindesmissbrauch )Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik zeichnen ein trauriges Bild
Am 05.06.2018 wurden die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik 2017 zu kindlichen Gewaltopfern vorgestellt:
Im vergangenen Jahr wurden 143 Kinder getötet. Fast 78 Prozent von ihnen waren zum Zeitpunkt des Todes jünger als sechs Jahre. In 77 Fällen blieb es bei einem Tötungsversuch. Die Zahlen zu Misshandlungen an Kindern stagnieren seit Jahren auf einem hohen Niveau. 4.208 Kinder waren hiervon betroffen, 43 Prozent von ihnen haben das 6. Lebensjahr noch nicht vollendet.
Im Bereich sexuelle Gewalt nach den §§ 176, 176a und 176b weist die Statistik einen Rückgang von 3,64 Prozent auf, doch wurden noch immer 13.539 Kinder als Opfer registriert. Die in der Polizeilichen Kriminalstatistik erfassten Fallzahlen des Besitzes und der Verbreitung kinderpornografischen Materials stiegen im Vergleich zum Vorjahr wieder um 15,06 Prozent an.
zur ausführlichen Pressemitteilung des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs vom 05.06.2018
Gesamten Beitrag lesen | Make a Comment ( Kommentare deaktiviert für Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik zeichnen ein trauriges Bild )Kindesmissbrauch in der Familie hat schwerwiegende Folgen – auch für Geschwister
Wird ein Kind in der Familie misshandelt, missbraucht oder vernachlässigt, ist das Risiko für Geschwister, ebenfalls Opfer zu werden, vier Mal so groß wie in anderen Familien. Das zeigt eine Studie von DJI-Wissenschaftlerin Susanne Witte, die erstmals in Deutschland die Situation von Geschwistern bei Missbrauch, Misshandlung und Vernachlässigung in der Familie untersucht hat. Trotz der erhöhten Missbrauchsgefahr und psychischer Beeinträchtigungen bis ins Erwachsenenalter berücksichtigen Kinderschutzverfahren die Belange von Schwestern und Brüdern derzeit nur unzureichend.
„Die Ergebnisse zeigen, dass bei einem Verdacht auf Kindeswohlgefährdung in einer Familie auch die Situation der Geschwister abgeklärt werden muss“, sagt Susanne Witte. Dies sei zeitintensiv und passiere je nach personellen Ressourcen aktuell nur teilweise im Rahmen einer familienbasierten Fallbearbeitung im Jugendamt. Stattdessen wäre es sinnvoll, diese Prüfung in den Leitlinien und Handlungsanweisungen für Kinderschutzverfahren zu verankern. Geschwister seien auch dann einem erhöhten Risiko ausgesetzt, wenn sie nicht im selben Haushalt leben.
Vor allem sexueller Missbrauch sowie emotionale Vernachlässigung, beispielsweise durch Beschimpfungen und Herabwürdigungen, beeinträchtigen die psychische Gesundheit der betroffenen Kinder und deren Geschwister bis ins Erwachsenenalter. Hinzu kommt, dass die Heranwachsenden zusätzlich durch schlechtere Geschwisterbeziehungen belastet sind: In Familien, in denen Missbrauch, Misshandlung oder Vernachlässigung vorkommen, streiten Geschwister häufiger und haben ein weniger vertrauensvolles Verhältnis zueinander.
Für die Studie wurden mehr als 4.500 Erwachsene anhand des vielfach erprobten „Childhood Trauma Questionnaire“ online zu möglichen Misshandlungs- und Missbrauchserfahrungen befragt sowie zu ihrer Geschwisterbeziehung, zum Verhalten der Eltern und zur aktuellen psychischen Belastung. Bei 870 Teilnehmenden war es möglich, zusätzlich einen Bruder oder eine Schwester zu interviewen. Dadurch konnten erstmals verschiedene Erfahrungen in einer Familie berücksichtigt werden. Da mehr Frauen, mehr Personen jüngeren Alters und mit einem höheren Schulabschluss an der Studie teilgenommen haben, ist sie nicht repräsentativ.
Susanne Witte hat die Forschungsarbeit für ihre Dissertation an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München durchgeführt. Sie wurde betreut von Sabine Walper, Forschungsdirektorin des DJI und Professorin an der LMU, sowie von Jörg M. Fegert, Ärztlicher Direktor der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie/ Psychotherapie am Universitätsklinikum Ulm.
Die Ergebnisse der Studie sind 2018 unter dem Titel „Geschwister im Kontext von Misshandlung, Missbrauch und Vernachlässigung“ im Verlag Beltz Juventa erschienen.
Quelle: DJI vom 24.04.2018
Gesamten Beitrag lesen | Make a Comment ( None so far )„Besondere Kinder mit besonderen Lern- und Verhaltensschwierigkeiten brauchen auch besondere Pädagogik“ am 06.06. im Zollernalbkreis
Die Pflegeelternschule Baden-Württemberg veranstaltet am 16.06.2018 ein Tagesseminar im Zollernalbkreis. Luise Hepp wird zum Thema „Besondere Kinder mit besonderen Lern- und Verhaltensschwierigkeiten brauchen auch besondere Pädagogik“ referieren.
Schwierigkeiten in der Handlungsplanung, der Aufmerksamkeit, sowie Denk- und Gedächtnisstörungen, Probleme in der Selbstregulation und Selbststeuerung, der Wahrnehmung, Orientierung und Motivation und weiter in der Selbstversorgung und Kommunikation – dies alles gehört zu Kindern, die frühe Verlust- und Trennungserlebnisse, Missbrauch und Misshandlungen durchlebt haben sowie frühe Traumatisierungen erfahren mussten oder deren Gehirnentwicklung bereits in der frühen Schwangerschaftszeit unter Alkohol und Drogen bleibend geprägt wurde.
Gesamten Beitrag lesen | Make a Comment ( None so far )Kritik an Hilfen für Betroffene sexuellen Missbrauchs
Missbrauchsbeauftragter Rörig: „In Deutschland fehlen Therapieangebote für Betroffene sexuellen Missbrauchs. Gesundheitspolitik und die Selbstverwaltungsorgane im Gesundheitswesen müssen die Versorgungsangebote verbessern, damit sexuelle Gewalt früher erkannt und Minderjährige und Erwachsene, die Missbrauch in ihrer Kindheit und Jugend erlitten haben, zeitnahe und passgenaue Hilfen erhalten.“
Neuere Untersuchungen von 2016 zeigen: Von über 300 Kindern mit Gefährdungserfahrungen wie sexuellen Kindesmissbrauch wiesen 2/3 eine klinisch relevante Belastung nach ICD-10 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems; weltweit anerkanntes Klassifikationssystem für medizinische Diagnosen) auf, aber nur 36 % der Kinder hatten eine psychotherapeutische Versorgung erhalten.
Berlin, 05.04.2018. Anlässlich des Weltgesundheitstages mahnt der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM), Johannes-Wilhelm Rörig, dass es bei der Versorgung von Betroffenen sexuellen Kindesmissbrauchs noch immer viele Defizite gebe. „Wir benötigen in Deutschland dringend zusätzliche Kassensitze für spezialisierte Therapeutinnen und Therapeuten und spezifische Angebote für komplex traumatisierte Betroffene“, so Rörig. Die Kosten für alternative Therapieformen wie Kreativtherapien würden von der Krankenversicherung bis heute nicht übernommen. Zudem müsse die wertvolle Arbeit der auf sexuelle Gewalt spezialisierten Fachberatungsstellen bundesweit von Ländern und Kommunen finanziell gestärkt werden.
Rörig: „Je früher Kinder und Jugendliche, die sexuelle Gewalt erlitten haben, Hilfe erhalten, desto besser können sie das Erlebte in ihr Leben integrieren und sich gute Lebensperspektiven aufbauen. Viele Betroffene, die keine angemessene Hilfe bekommen, kämpfen nicht nur mit den psychischen und physischen Folgen des Missbrauchs, sondern leiden auch unter schulischen Misserfolgen und Bildungsabbrüchen, häufig auch unter Beziehungsabbrüchen. Sie sind dadurch im späteren Leben oft von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen.“
Zur therapeutischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen erklärt Prof. Jörg M. Fegert, Leiter der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und –therapie am Universitätsklinikum Ulm: „Über 60 % der psychisch auffälligen und behandlungsbedürftigen Kinder und Jugendlichen, die in Deutschland sexuellen Missbrauch erleiden mussten, nehmen keine missbrauchsbezogene therapeutische Hilfe in Anspruch bzw. haben keinen Zugang zu adäquater Therapie. Diese Unterversorgung entspricht nicht dem Anspruch einer umfassenden Gesundheitsversorgung. Sie ist besonders erschreckend, wenn man berücksichtigt, dass die WHO in ihrem Report zu Misshandlung in Europa feststellt, dass 90 % der Fälle von Vernachlässigung, Misshandlung und Missbrauch in den Institutionen, auch im Gesundheitswesen, nicht wahrgenommen werden. Wir reden also nur über die Spitze des Eisbergs der schon erkannten Missbrauchsfälle – und selbst da gelingt es uns nicht, eine hinreichende Versorgung sicher zu stellen.“
Alex Stern, Mitglied im Betroffenenrat, einem politischen Fachgremium beim UBSKM, erklärt zur Versorgung Erwachsener, die in der Kindheit oder Jugend sexuelle Gewalt erlitten haben: „Aufgrund der fehlenden Flexibilität in den Systemen der Gesundheits- und Sozialleistungen kann es für Menschen mit Gewalterfahrung enorm schwer sein, die für sie passende Unterstützung zu erhalten. Wo Leistungen unter den Maximen von Gewinnorientierung oder Wirtschaftlichkeit angeboten werden, ist eine Flexibilität von Leistungen kaum möglich. Inadäquate Leistungen können für Betroffene einen vermeidbaren, massiven Verlust an Lebensqualität bedeuten. Lebensqualität – und manchmal auch das Leben. Betroffene, die Unterstützung brauchen, müssen sie individuell und selbstbestimmt wählen können. Fehlende oder unpassende Unterstützung im Umgang mit Gewaltfolgen kann zum Verlust gesellschaftlicher Teilhabe und Fremdbestimmung führen. Im Zusammenhang mit der Chance zur Teilhabe ist es auch notwendig, dass die Versorgungsämter schnellstmöglich die Versorgungsmedizin-Verordnung anpassen: Viele Betroffene sind sozial angepasst. Versorgungsämter müssen künftig berücksichtigen, dass Traumafolgestörungen auch andere Aspekte des Lebens beeinträchtigen können.“
Rörig fordert von der neuen Bundesregierung noch im Jahr 2018 die schnelle Umsetzung der seit Jahren überfälligen Reform des Opferentschädigungsgesetzes (OEG). Die Große Koalition müsse jetzt mit einer umfassenden OEG-Reform unter Beweis stellen, dass sie die Belange von Missbrauchsopfern ernst nehme. Darüber hinaus müssten die Missstände beim sog. Ergänzenden Hilfesystem (EHS), für das das Bundesfamilienministerium Verantwortung trägt, umgehend beseitigt werden. Die Bearbeitungszeit für diese wichtigen Hilfen, die nach Ende des Runden Tisches „Sexueller Missbrauch“ in 2011 Betroffenen schnell und unbürokratisch gewährt werden sollten, dauere aktuell bis zu zwei Jahre. Viele Betroffene seien deshalb enttäuscht und verzweifelt.
Hilfe und Informationen für Betroffene, Angehörige, Ärzte- und Therapeutenschaft und weitere Interessierte zum Thema sexueller Kindesmissbrauch:
Hilfetelefon Sexueller Missbrauch: 0800 22 55 530 (kostenfrei und anonym)
Hilfeportal Sexueller Missbrauch: www.hilfeportal-missbrauch.de
Quelle: Pressemitteilung des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs vom 05.04.2018
Gesamten Beitrag lesen | Make a Comment ( None so far )8 Jahre Missbrauchsskandal: „Politik muss Konsequenzen ziehen“
Rörig: „Der Skandal dauert an. Der Schutz der Kinder vor sexueller Gewalt ist noch lange nicht gelebter Alltag. Deutschland braucht ein Kindesmissbrauchsbekämpfungsgesetz und eine groß angelegte Aufklärungskampagne.“
Betroffenenrat: „Die aktuellen Fälle zeigen, dass der Schutz der Minderjährigen und die Hilfen für Betroffene dringend ausgebaut werden müssen.“
Missbrauchsbeauftragter bittet CDU, CSU und SPD, die Bekämpfung von sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche und deren Folgen gemäß seines Programms „Jetzt handeln“ in den Koalitionsvertrag aufzunehmen und dafür ausreichend Geld zur Verfügung zu stellen.
Berlin, 24.01.2018. Am 28. Januar 2010 berichtete die Berliner Morgenpost vom Missbrauch am Berliner Canisius Kolleg und löste damit den sog. „Missbrauchsskandal“ in Deutschland aus. Die Politik reagierte 2010 mit der Einrichtung eines Runden Tisches „Sexueller Kindesmissbrauch“ und dem Amt einer/eines Unabhängigen Beauftragten. Was ist seither passiert? Der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM), Johannes-Wilhelm Rörig, und der Betroffenenrat, ein politisches Fachgremium beim UBSKM, ziehen eine kritische Bilanz und fordern dauerhafte Strukturen im Kampf gegen Missbrauch:
Rörig: „Aktuell erschüttern Skandale wie der Freiburger Fall Deutschland. Diese Fälle sind aber nur die Spitze des Eisbergs. Laut Polizeilicher Kriminalstatistik werden täglich rund 40 Fälle sexueller Gewalt gegen Minderjährige angezeigt. Das Dunkelfeld ist aber um ein Vielfaches größer. Neben Missbrauch in der Familie und in Einrichtungen ist das Internet zunehmend Tatort sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. Der Schutz der Minderjährigen muss endlich gelebter Alltag werden. Viele wissen nicht, was sexuelle Gewalt ist, wie Täterstrategien funktionieren und an wen sie sich bei Vermutung oder Verdacht wenden können. Deutschland braucht daher eine groß angelegte Aufklärungskampagne in der Dimension der Anti-AIDS-Kampagne, die gegen das weit verbreitete Wegschauen ankämpft und Hilfeangebote bekannt macht. Missbrauch hat die Dimension einer Volkskrankheit, mit zum Teil schweren und schwersten Folgen, auch für die Gesellschaft. Politik muss endlich konsequent und systematisch in den Kampf gegen Missbrauch investieren. Kinder-und Jugendschutz ist Aufgabe des Staates. Die künftige Koalition bitte ich daher: Verständigen Sie sich jetzt auf das von mir vorgeschlagene Kindesmissbrauchsbekämpfungsgesetz und die weiteren Empfehlungen aus meinem Programm „Jetzt handeln“ vom Oktober 2017. Der Flickenteppich befristeter Minimallösungen bringt uns im Kampf gegen Kindesmissbrauch nicht weiter. Auch mit im Grundgesetz verankerten Kinderrechten alleine wird sich der Kinderschutz nicht verbessern. Nur durch gesetzlich vorgegebene Strukturen, ein dauerhaftes Investment in Schutz und Hilfen, die Verbesserung gerichtlicher und behördlicher Verfahren, den Ausbau eines starken Netzwerkes sowie eine gesellschaftliche Aufarbeitung von Fällen der Vergangenheit kann erreicht werden, dass wir die sexuelle Gewalt gegen Minderjährige eindämmen. In Deutschland gibt es einen hohen Wissensstand, was zu tun ist, aber auch ein hohes Defizit bei der Umsetzung. Wir müssen jetzt alle Handlungsmöglichkeiten ausschöpfen. Kein Täter und keine Täterin darf sich mehr sicher fühlen.“
Betroffenenrat: „Das Sprechen so vieler Betroffener vor acht Jahren war notwendig, um endlich ressortübergreifend politisches Handeln zu erreichen. Ohne den Druck aber auch das fortwährende Engagement von Betroffenen seit über 30 Jahren wären die Entwicklungen der letzten acht Jahre nicht möglich geworden. Dennoch: Es fehlt an traumaspezifischen Therapieplätzen. Die bewilligten Stundenkontingente sind oft unzureichend und die Leistungen des Opferentschädigungsrechts bleiben vielen Betroffenen verwehrt. Der Betroffenenrat fordert die künftige Bundesregierung auf, ihre Gesundheits- und Sozialpolitik endlich an den tatschlichen Bedarfen Überlebender sexueller Gewalt in Kindheit und Jugend auszurichten und das Amt des Unabhängigen Beauftragten, die Beteiligung von Betroffenen in den politischen Strukturen sowohl auf Bundes- als auch Länderebene sowie die Arbeit der Aufarbeitungskommission gesetzlich zu verankern.“
Zahlen und Fakten zu Missbrauch:
Hellfeld und Dunkelfeld: Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) verzeichnet für das Jahr 2016 in Deutschland über 12.000 Ermittlungs- und Strafverfahren nur für sexuellen Kindesmissbrauch (§§176, 176a, 176b StGB). Opfer dieser Straftaten sind zu etwa 75 % Mädchen und 25 % Jungen. Hinzu kommen Fälle von Missbrauch von Schutzbefohlenen und Jugendlichen sowie etwa 7.000 Fälle wegen sog. Kinder- und Jugendpornografie. Bei diesen Zahlen handelt es sich um das sogenannte Hellfeld. Das Dunkelfeld ist weitaus größer. Dunkelfeldforschungen aus den vergangenen Jahren gehen davon aus, dass jede/r Siebte bis Achte in Deutschland sexuelle Gewalt in Kindheit und Jugend erlitten hat. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht von rund 18 Millionen Minderjährigen aus, die in Europa von sexueller Gewalt betroffen sind. Das sind auf Deutschland übertragen rund 1 Million Mädchen und Jungen. Dies bedeutet, dass etwa 1 bis 2 Schülerinnen und Schüler in jeder Schulklasse von sexueller Gewalt betroffen sind.
Kontext: Sexuelle Gewalt findet am häufigsten innerhalb der engsten Familie statt (ca. 25 %) sowie im sozialen Nahraum beziehungsweise im weiteren Familien- und Bekanntenkreis, zum Beispiel durch Nachbarn oder Personen aus Einrichtungen oder Vereinen, die die Kinder und Jugendlichen gut kennen (ca. 50 %). Sexuelle Gewalt durch Fremdtäter oder -täterinnen ist eher die Ausnahme. Zunehmend finden sexuelle Übergriffe aber auch im digitalen Raum statt.
Täter und Täterinnen: Missbrauch findet in etwa 80 % bis 90 % der Fälle durch Männer und männliche Jugendliche statt, zu etwa 10 % bis 20 % durch Frauen und weibliche Jugendliche. Sowohl Täter als auch Täterinnen missbrauchen sowohl Mädchen als auch Jungen. Missbrauchende Männer stammen aus allen sozialen Schichten, leben hetero- oder homosexuell und unterscheiden sich durch kein äußeres Merkmal von nicht missbrauchenden Männern. Über missbrauchende Frauen wurde bislang wenig geforscht. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sexueller Missbrauch durch Frauen seltener entdeckt wird, weil solche Taten Frauen kaum zugetraut werden. Frauen sind eher Einzeltäterinnen, missbrauchen aber auch zusammen mit einem männlichen Partner beziehungsweise unter dessen Einfluss. Nach Zahlen der PKS für das Jahr 2016 sind bei sexuellem Missbrauch von Kindern (§§176, 176a, 176b StGB) 4 % der erwachsenen Tatverdächtigen weiblich. Bei weiteren Straftatbeständen wie sexuellem Missbrauch von Jugendlichen (§ 182 StGB) liegt der Anteil der Täterinnen bei ca. 3 %, bei sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen (§ 174 StGB) bei ca. 8 %, bei Verbreitung, Erwerb, Besitz und Herstellung kinder- und jugendpornografischer Schriften bei jeweils ca. 5 %.
Gesamten Beitrag lesen | Make a Comment ( None so far )BVEB-Tagung „Kleinkinder in schwierigen Lebenssituationen“ vom 20.–22.04. in Hannover
Um den interdisziplinären Austausch zu fördern, lädt der Berufsverband der Verfahrensbeistände, Ergänzungspfleger und Berufsvormünder für Kinder und Jugendliche -BVEB- e.V. Fachleute unterschiedlicher Professionen zu seiner Tagung vom 20.–22.04.2018 nach Hannover ein.
Der Schwerpunkt der Tagung „Kleinkinder in schwierigen Lebenssituationen“ ist auf die Altersgruppe der Kinder von 0 bis 6 Jahren ausgerichtet. Thema sind die Auswirkungen schädigenden Verhaltens der Eltern auf die Kinder:
- seelische Gewalt und Vernachlässigung
- Entwicklungsprobleme nach Trennung der Eltern
- Missbrauch von Alkohol, Tabak und Drogen vor und nach der Schwangerschaft
- Entwicklungsprobleme bei psychisch kranken Eltern
- Körperliche Gewalt
- Kindliche Entwicklung und sexueller Missbrauch
Anmeldeschluss ist der 01.03.2018.
Gesamten Beitrag lesen | Make a Comment ( None so far )„Sexuelle Gewalt – Folgen und Umgang“ am 06.02. in Augsburg
Am 06.02.2018 wird die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin Birgit Hildebrandt M.A. im Haus Tobias in Augsburg zum Thema „Sexuelle Gewalt – Folgen und Umgang“ referieren. Mitveranstalter ist der Verein PFAD FÜR KINDER Augsburg e.V.
Im Seminar werden die Folgen und Auswirkungen durch sexuelle Gewalt für die betroffenen Kinder und deren (Pflege-/Adoptiv)Familien dargestellt.
Was ist eigentlich sexuelle Gewalt? Wie gehe ich mit betroffenen Kindern um?
Wie wirkt sich das Erlebte auf den Alltag, die Familie, Schule, eigene Sexualität, … aus?
Was ist im Umgang mit Betroffenen zu beachten?
Schriftliche Anmeldung und Vorauszahlung erforderlich.
Gesamten Beitrag lesen | Make a Comment ( None so far )2016: Anstieg der Verfahren zur Kindeswohlgefährdung um 5,7 %
WIESBADEN – Die Jugendämter in Deutschland führten im Jahr 2016 rund 136 900 Verfahren zur Einschätzung der Gefährdung des Kindeswohls durch. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, bedeutet dies einen Anstieg um 5,7 % gegenüber dem Vorjahr.
Von allen Verfahren bewerteten die Jugendämter 21 600 eindeutig als Kindeswohlgefährdungen („akute Kindeswohlgefährdung“). Hier gab es gegenüber 2015 einen Anstieg um 3,7 %. Bei 24 200 Verfahren (+ 0,1 %) konnte eine Gefährdung des Kindes nicht ausgeschlossen werden („latente Kindeswohlgefährdung“). In rund 46 600 Fällen (+ 8,0 %) kamen die Fachkräfte des Jugendamtes zu dem Ergebnis, dass zwar keine Kindeswohlgefährdung, aber ein weiterer Hilfe- oder Unterstützungsbedarf vorlag. In fast ebenso vielen Fällen (44 500) wurde weder eine Kindeswohlgefährdung noch weiterer Hilfebedarf festgestellt (+ 7,8 %).
Die meisten der rund 45 800 Kinder, bei denen eine akute oder latente Kindeswohlgefährdung vorlag, wiesen Anzeichen von Vernachlässigung auf (61,1 %). In 28,4 % der Fälle wurden Anzeichen für psychische Misshandlung festgestellt. Etwas seltener (25,7 %) wiesen die Kinder Anzeichen für körperliche Misshandlung auf. Anzeichen für sexuelle Gewalt wurden in 4,4 % der Fälle von Kindeswohlgefährdung festgestellt. Mehrfachnennungen waren möglich.
Die Gefährdungseinschätzungen wurden in etwa gleich häufig für Jungen und Mädchen durchgeführt. Kleinkinder waren bei den Verfahren zur Einschätzung der Gefährdung des Kindeswohls besonders betroffen. Beinahe jedes vierte Kind (23,2 %), für das ein Verfahren durchgeführt wurde, hatte das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet. Drei- bis fünfjährige Kinder waren wie im Vorjahr von einem Fünftel (19,4 %) der Verfahren betroffen. Kinder im Grundschulalter (6 bis 9 Jahre) waren mit 22,7 % beteiligt. Mit zunehmendem Alter nehmen die Gefährdungseinschätzungen ab: Kinder im Alter von 10 bis 13 Jahren hatten einen Anteil von 18,7 % an den Verfahren, Jugendliche (14 bis 17 Jahre) nur noch von 16,0 %.
Am häufigsten machten Polizei, Gericht oder Staatsanwaltschaft das Jugendamt auf eine mögliche Kindeswohlgefährdung aufmerksam, und zwar bei 22,1 % der Verfahren. Bei 12,9 % kamen die Hinweise von Schulen oder Kindertageseinrichtungen, bei 11,6 % waren es Bekannte oder Nachbarn. Gut jeden zehnten Hinweis (10,4 %) erhielten die Jugendämter anonym.
Hinweise
Eine Kindeswohlgefährdung liegt vor, wenn eine erhebliche Schädigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes droht oder bereits vorliegt. Erhält das Jugendamt Kenntnis davon, so hat es im Rahmen seines Schutzauftrags Gefährdungsrisiko und Hilfebedarf unter Beteiligung verschiedener Fachkräfte abzuschätzen (§ 8a SGB VIII).
Weitere Informationen zur Kinder- und Jugendhilfe sind unter Publikationen Soziales abrufbar.
Quelle: Pressemitteilung von Destatis vom 04.10.2017
Gesamten Beitrag lesen | Make a Comment ( None so far )Missbrauchsbeauftragter Rörig stellt „Programm zur konsequenten Bekämpfung von sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche und deren Folgen“ für die 19. Legislaturperiode vor
Rörig appellierte heute an die künftigen Koalitionspartner, jetzt ein neues Kapitel im Kampf gegen sexuellen Kindesmissbrauch aufzuschlagen und sich deutlich hinter den Schutz der Kinder und Jugendlichen vor sexueller Gewalt zu stellen. Er fordert den Deutschen Bundestag auf, noch im Jahr 2018 ein „Kindesmissbrauchsbekämpfungsgesetz“ zu verabschieden.
Berlin, 05.10.2017. Der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, hat heute in Berlin sein „Programm zur konsequenten Bekämpfung von sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche und deren FolgenProgramm zur konsequenten Bekämpfung von sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche und deren Folgen“ für die 19. Legislaturperiode vorgestellt.
Rörig: „Sexuelle Gewalt ist ein permanentes und besonders tabuisiertes Problem unserer Gesellschaft. Noch immer wird viel zu oft weggeschaut und geschwiegen, aus Angst, Scham und Unsicherheit. Wir verzeichnen etwa 12.000 Straf- und Ermittlungsverfahren allein wegen sexuellen Kindesmissbrauchs jährlich. Das ist mindestens so erschreckend wie die Gewissheit, dass das Dunkelfeld um ein Vielfaches größer ist. Viele Menschen könnten helfen, wissen aber nicht, was sie bei Vermutung oder Verdacht tun können. Die künftigen Koalitionspartner können jetzt die richtigen Weichen stellen. Wenn der politische Wille vorhanden ist, können wir große Fortschritte im Kampf gegen sexuellen Kindesmissbrauch erreichen. Die Zeit befristeter Minimallösungen im Kampf gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen muss vorbei sein.“
Inhalte des Programms (Auswahl):
Das Programm beinhaltet Eckpunkte zu den Themenfeldern Schutz, Hilfen, Verfahren, Forschung/Lehre, Aufarbeitung, Aufklärung und Sensibilisierung sowie zu neuen gesetzlichen Regelungen. Es zeigt konkrete Maßnahmen auf, wie die konsequente Bekämpfung von sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen künftig besser gelingen kann:
Modellprogramme für Einrichtungen: Die Präventionsinitiativen „Kein Raum für Missbrauch“ und „Schule gegen sexuelle Gewalt“ sollen in Modellprogramme des Bundes eingebunden werden. Zur Unterstützung der Entwicklung von Schutzkonzepten in Einrichtungen sollen bundesweit 10 % aller Schulen (3.000 Schulen) eine Anschubfinanzierung von je 5.000 EUR erhalten. Dies soll auch für 2.000 Kitas und weitere Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sowie 1.000 Kliniken und Praxen gelten. Zudem appelliert der Unabhängige Beauftragte an Politik und Fachpraxis, zügig zu klären, ob die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Einführung und Anwendung von Schutzkonzepten nicht ausgeweitet werden müssen.
Agenda „Digitaler Kinder- und Jugendschutz“: Die fortschreitende Digitalisierung vermehrt die Gefahren sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche im Netz. Kinder- und Jugendschutz muss dringend auch auf den digitalen Raum übertragen werden: Mindestens 0,5 % des für den Digitalpakt angedachten Budgets sollen für eine Agenda „Digitaler Kinder- und Jugendschutz“ zur Verfügung gestellt werden. Auch die großen Internet-Unternehmen müssen sich stärker für den Schutz von Kindern und Jugendlichen im digitalen Raum engagieren.
Bundesweite Aufklärungskampagne: Alle Bürgerinnen und Bürger sollten bestehende Hilfeangebote kennen und wissen, was sie bei Vermutung oder Verdacht tun können. Deswegen sollte eine auf mehrere Jahre angelegte Aufklärungs- und Sensibilisierungskampagne spätestens 2019 starten.
Reform des OEG: Der Unabhängige Beauftragte appelliert an die künftige Bundesregierung, die Reform des Opferentschädigungsrechts (OEG) gleich zu Beginn der 19. Legislaturperiode auf den Weg zu bringen. Sollten mit der Reform des OEG die hohen Hürden für Betroffene nicht gesenkt werden (zum Beispiel die Anforderungen an den Nachweis der Tat oder an den Nachweis der Kausalität zwischen sexueller Gewalt in der Kindheit und den heutigen gesundheitlichen Belastungen) müssen dringend ergänzende Regelungen geschaffen werden. In Betracht käme eine gesetzlich zu errichtende Stiftung, die Betroffenen aus allen Missbrauchskontexten die notwendigen Hilfen schnell und unbürokratisch gewährt, unabhängig von Ort und Zeit der Tat.
„Forschungsbündnis gegen Kindesmissbrauch“: Mit den Förderlinien des Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sind wichtige Forschungsvorhaben auf den Weg gebracht worden. Es fehlt jedoch ein stabiler und interdisziplinärer Dialog, der jetzt mit Partnern aus Wissenschaft, Fachpraxis, Politik und mit Betroffenen aufgebaut werden sollte.
„Kindesmissbrauchsbekämpfungsgesetz“: Der Unabhängige Beauftragte fordert ein Kindesmissbrauchsbekämpfungsgesetz zur Stärkung des Schutzes von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt. Durch dieses Gesetz sollte auch das Amt einer/eines Unabhängigen Beauftragten verstetigt und gestärkt werden. Aufgabenübertragung, Unabhängigkeit und die Bereitstellung ausreichender Ressourcen brauchen dringend eine gesetzliche Grundlage. Vor Ablauf von zehn Jahren sollte aber geprüft werden, ob eine Weiterführung notwendig ist, je nach Entwicklung des Ausmaßes sexueller Gewalt in den kommenden Jahren. Zudem soll der im Jahr 2015 berufene Betroffenenrat eine gesetzliche Absicherung für seine breit gefächerte Mitwirkung erhalten. Zudem benötigt die seit dem Jahr 2016 erfolgreich arbeitende Unabhängige Aufarbeitungskommission eine gesetzliche Grundlage zur stabilen Fortführung ihrer überaus wichtigen Arbeit. Ihre Arbeitsperiode sollte um mindestens fünf Jahre verlängert werden. Um verbindliche Strukturen für eine kontinuierliche Kooperation von Bund, Ländern und Kommunen, Zivilgesellschaft, Fachpraxis, Betroffenenrat, Wissenschaft und Ausbildung zu schaffen, schlägt Rörig die gesetzliche Verankerung einer „Ständigen Konferenz“ zur Bekämpfung von sexuellem Kindesmissbrauch vor.
Rörig stellte heute zudem neue Ergebnisse seines „Monitoring zum Stand der Prävention sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen in Deutschland 2015–2018“ vor. Der neue Teilbericht 3 ist ein Datenreport zu Schutzkonzepten in Kitas, Heimen/weiteren Wohnformen und dem stationären und ambulanten Gesundheitsbereich. Der Bericht macht deutlich: Schutz vor sexueller Gewalt kommt als Thema in den Einrichtungen an. Es gibt viele Einzelmaßnahmen, jedoch fehlt es nach wie vor an umfassenden Präventions- und Interventionskonzepten und an einem systematischen Herangehen jenseits konkreter Verdachtsfälle. Der Abschlussbericht des Monitorings wird Ende 2018 erscheinen. Er ist eine integrative Analyse aller Befragungsergebnisse aus den Bereichen Erziehung und Bildung, Gesundheit, Freizeit und Religiöses Leben (Daten zum Teilbericht 3 unter www.datenreport-monitoring.de).
Gesamten Beitrag lesen | Make a Comment ( None so far )Positionspapier „Sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche verhindern – Betroffenen Unterstützung, Hilfe und Anerkennung ermöglichen“
Am 26.06.2017 hat der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, der bei ihm angesiedelte Beirat und der Betroffenenrat im Einvernehmen mit der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs ihr Positionspapier veröffentlicht, das in einer großen Gremiensitzung am 23.05.2017 einstimmig beschlossen wurde.
Die gemeinsamen Empfehlungen an Politik und Gesellschaft machen deutlich, dass in Deutschland noch sehr viel mehr als bisher getan werden muss, um Kindern und Jugendlichen ein Aufwachsen frei von sexueller Gewalt zu ermöglichen. Erreichtes der vergangenen Jahre wird gewürdigt. Gleichzeitig wird deutlich, dass befristete Minimallösungen bei Schutz, Hilfe, Forschung und Aufarbeitung nicht ausreichen.
Für die Zukunft ist eine viel stärkere und insbesondere dauerhafte politische und gesellschaftliche Verantwortungsübernahme notwendig. Nur so können bundesweit Konzepte zum Schutz vor sexueller Gewalt in Einrichtungen und Organisationen implementiert, Gefahren digitaler Medien stärker entgegnet, Hilfen und Versorgung verbessert, juristische und behördliche Verfahren optimiert, Forschung und Lehre ausgebaut, sowie die unabhängige Aufarbeitung auch künftig sichergestellt werden.
zum Positionspapier – Empfehlungen an Politik und Gesellschaft
Gesamten Beitrag lesen | Make a Comment ( None so far )Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs veröffentlicht ersten Zwischenbericht
Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs veröffentlicht ersten Zwischenbericht – Bereits 1000 Betroffene haben sich für Anhörungen angemeldet – Neues Licht fällt auf die Rolle der Mitwissenden in der Familie, die Mehrfachbetroffenheit und den Zusammenhang von Missbrauch und Armut.
Berlin, 14. Juni 2017. Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs hat im Mai 2016 ihre Arbeit aufgenommen. Heute stellt sie ihren ersten Zwischenbericht vor. Neben der Dokumentation ihrer Arbeit beinhaltet der Bericht erste Erkenntnisse aus vertraulichen Anhörungen und schriftlichen Berichten. Er beinhaltet zudem Botschaften von Betroffenen an die Gesellschaft und Empfehlungen der Kommission an die Politik.
Prof. Dr. Sabine Andresen, Vorsitzende der Kommission: „Die Einrichtung der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs war eine wichtige Entscheidung der Politik. Mit diesem Schritt hat sie signalisiert, dass die Gesellschaft bereit ist, Verantwortung zu übernehmen.“
Seit Mai 2016 haben sich bei der Kommission rund 1000 Betroffene und weitere Zeitzeuginnen und Zeitzeugen für eine vertrauliche Anhörung gemeldet. Davon konnten bisher etwa 200 Personen angehört werden. Zusätzlich sind 170 schriftliche Berichte eingegangen. Bei rund 70 Prozent der Betroffenen, die sich bisher an die Kommission gewandt haben, fand der Missbrauch in der Familie oder im sozialen Nahfeld statt, gefolgt von Missbrauch in Institutionen, durch Fremdtäter/Fremdtäterinnen und rituellem/organisiertem Missbrauch.
Prof. Dr. Jens Brachmann, Mitglied der Kommission: „Viele Betroffene haben sich schon bei uns gemeldet. Das zeigt ein großes Vertrauen in die Arbeit der Kommission. In den Anhörungen haben sehr starke Frauen und Männer verstörende wie berührende Erfahrungen von Gewalt und Überleben mit uns geteilt. Diese Geschichten verpflichten uns dazu, dass wir uns mit aller Kraft für den Schutz von Kindern und Jugendlichen einsetzen.“
Matthias Katsch, Mitglied Betroffenenrat beim Unabhängigen Beauftragten und Ständiger Gast der Kommission: „Schon jetzt ist deutlich geworden: Der zentrale Ansatz der Kommission, mit den Anhörungen auch Anerkennung zu vermitteln, funktioniert! Die dabei erlebte professionelle Zuwendung und der Respekt vor ihrer Lebensgeschichte tut Betroffenen gut.“
Schwerpunkt Familie
Einen ersten Schwerpunkt ihrer Arbeit hat die Kommission mit sexuellem Missbrauch in der Familie gesetzt und damit auch international Neuland betreten. Bisherige Erkenntnisse: Kinder haben oft keine oder erst spät Hilfe erfahren, weil Familienangehörige zum Teil lange etwas von dem Missbrauch wussten, sie dennoch nicht davor schützten und handelten. Insbesondere die Rolle der Mütter steht im Fokus. Mütter treten nach den Erkenntnissen der Kommission auch als Einzeltäterinnen auf, aber vorwiegend als Mitwissende und damit als Unterstützende der Taten. Gründe für das Dulden des Missbrauchs sind u.a. Abhängigkeiten, erlebte Rechtelosigkeit, Ohnmachtserfahrungen und Gewalt in der Partnerschaft, jedoch auch die Angst vor dem Verlust des Partners oder der gesamten Familie sowie bereits eigene vorausgegangene Missbrauchserfahrungen in der Familie. In den wenigsten Fällen haben die Mütter ihren Kindern geglaubt und sie vor weiterem Missbrauch geschützt.
Hilfe von außerhalb der Familie erfahren Betroffene selten, weil die Familie, als Privatraum gesehen wird. Aufarbeitung muss sich folglich mit der Wirkung gesellschaftlicher Vorstellungen von Familie sowie der Rolle von Eltern und anderen Angehörigen befassen. Zu klären ist auch, welche Bedeutung das Dilemma zwischen dem Schutz der Privatsphäre und der Aufgabe des staatlichen Wächteramtes hat.
Mehrfachbetroffenheit
In den Anhörungen und schriftlichen Berichten wird deutlich, dass viele Menschen mehrfachbetroffen sind. Sie erlebten sexuelle Gewalt durch verschiedene Täter oder Täterinnen oftmals auch in verschiedenen Bereichen. So wird zum Beispiel von sexuellem Missbrauch in der Familie berichtet und von parallel oder später stattfindendem Missbrauch im Heim oder in der Schule. Oder es findet Missbrauch in der frühen Kindheit durch den Großvater und in der späteren Kindheit durch den Vater statt. Auch der Zugang zu rituellen oder organisierten Gewaltstrukturen erfolgt nicht selten über die Familie.
Zentrales Thema Armut
Alle Kontexte durchzieht das Thema Armut im Erwachsenenalter als Folge des Missbrauchs in der Kindheit. Es besteht längst noch kein Bewusstsein darüber in der Gesellschaft, in welchem Ausmaß sexueller Kindesmissbrauch auch das spätere Erwerbsleben beeinträchtigen kann und welche erheblichen sozioökonomischen Einschränkungen damit verbunden sein können. Es bedarf der Verantwortung der gesamten Gesellschaft, damit Betroffene nicht länger an strukturellen und finanziellen Hürden scheitern, sondern schnelle und passende Hilfen und Unterstützung erhalten
Empfehlungen an die Politik
Aus ihren Erkenntnissen richtet die Kommission folgende Empfehlungen an die Politik:
- Betroffene Menschen haben das Recht auf eine deutliche Geste der Politik und klare politische Entscheidungen, welche die Verantwortungsübernahme des Staates für mangelnden Schutz und unzureichende Hilfen in der Vergangenheit zum Ausdruck bringen. So ist es beispielsweise in Österreich gelungen, durch einen Staatsakt im Parlament ein eindrückliches Zeichen zu setzen.
- Eine gesamtgesellschaftliche Aufarbeitung muss über 2019 hinaus gewährleistet sein. Die große Anzahl der Meldungen für vertrauliche Anhörungen bedingt einen deutlichen Nachsteuerungsbedarf bei den Ressourcen für die zeitnahe Durchführung von Anhörungen. Aufarbeitung erfordert darüber hinaus eigene Ressourcen für Forschung. Die Kommission empfiehlt zudem dringend eine gesetzliche Verankerung. Dieses wird benötigt, um einer umfassenderen Aufarbeitung den Weg zu bereiten, z. B. durch die Möglichkeit, Akten über Täter und Täterinnen einzusehen oder Verantwortliche aus Institutionen zu einer Anhörung vorzuladen.
Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin a. D., Mitglied der Kommission: „Die Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs muss als gesamtgesellschaftliche Aufgabe angesehen werden und erfordert eine stärkere Unterstützung durch die Politik.“ Für 2017 und 2018 hat sich die Kommission weitere Arbeitsschwerpunkte gesetzt: Kindesmissbrauch in der DDR, in den Kirchen sowie ritueller/organisierter Missbrauch.
Zur aktuellen Situation: Die Kommission kann aufgrund ihrer begrenzten Ressourcen vorerst keine weiteren Anmeldungen für vertrauliche Anhörungen annehmen. Mit den vorhandenen finanziellen Mitteln kann sie gewährleisten, bis zum Ende ihrer Laufzeit im März 2019 alle Betroffenen anzuhören, die sich bis jetzt angemeldet haben. Bisher sind bei der Kommission fast 1000 Anmeldungen für vertrauliche Anhörungen eingegangen. Für die Kommission ist das ein Zeichen großen Vertrauens der Betroffenen in die gesamtgesellschaftliche Aufarbeitung.
Die Kommission hat seit Herbst 2016 verschiedene Maßnahmen ergriffen, um die Situation zu verbessern. Dank der zusätzlichen finanziellen Unterstützung durch das Bundesfamilienministerium in 2017 kann die Kommission fast doppelt so viele Anhörungen durchführen, wie anfangs möglich waren. Doch schon heute zeigt sich, dass der Bedarf noch viel größer ist. Wir setzen uns sehr dafür ein, dass unsere Mittel bereits in 2018 aufgestockt werden und dass die Kommission ihre Arbeit im April 2019 weiterführen kann.
Den Zwischenbericht finden Sie unter: www.aufarbeitungskommission.de/zwischenbericht/
Kontakt zur Aufarbeitungskommission: 0800 40 300 40 (kostenfrei und anonym) oder unter www.aufarbeitungskommission.de
Quelle: Pressemitteilung der Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs vom 14.06.2017
Missbrauchsbeauftragter Rörig: „Depression ist eine der häufigsten Folgeerkrankungen von sexueller Gewalt in der Kindheit!“
Anlässlich des Weltgesundheitstages 2017 zum Thema „Depression – Let´s talk!“ wurden dem Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, bisher unveröffentlichte Ergebnisse einer Repräsentativbefragung der deutschen Bevölkerung des Zentrums für Traumaforschung (ZTF) der Universität Ulm* mit dem Childhood Trauma Questionnaire (CTQ) und dem Depressionsmodul des Gesundheitsfragebogens für Patienten (PHQ-9) zur Verfügung gestellt. Die Ergebnisse zeigen signifikante Zusammenhänge zwischen belastenden Kindheitsereignissen und Depressionen. Bei Betroffenen von sexueller Gewalt in der Kindheit fanden sich viermal häufiger deutlich erhöhte Depressionswerte. Bereits am 16.03.2017 wurden erste Ergebnisse dieser Studie in Berlin vorgestellt (wir berichteten), die deutlich machten, dass die Fallzahlen bei sexueller Gewalt nicht rückläufig sind und sexueller Kindesmissbrauch zahlreiche Spätfolgen nach sich zieht.
Rörig: „Kommunikation ist ein wichtiger Teil der Prävention! Ich hoffe sehr, dass der Weltgesundheitstag unter dem Motto „Depression – Let´s talk“ dazu beitragen kann, den Umgang mit von Depression Betroffenen in unserer Gesellschaft offener zu gestalten und hierbei auch den Kontext sexueller Gewalt mitzudenken. Das Ausmaß der sexuellen Gewalt und der gesundheitlichen Folgen für Betroffene und die Gesellschaft ist enorm. Die Ergebnisse aus Ulm zeigen, dass sich hinter der sogenannten Volkskrankheit Depression, die jährlich mehrere Millionen Menschen trifft, auch tausende Einzelschicksale von Betroffenen verbergen, die sexuelle Gewalt als Kinder oder Jugendliche erlitten haben.“
Rörig begrüßt die erfolgte Überarbeitung der Psychotherapie-Richtlinie, das dürfe aber nicht darüber hinweg täuschen, dass es bei der Versorgung von Betroffenen nach wie vor viele Defizite gebe. Der großen Zahl Betroffener stünden nur wenige auf ihre spezifischen Bedürfnisse zugeschnittene Therapieangebote zur Verfügung. Therapeutische Angebote für Betroffene von sexueller Gewalt müssten dringend weiter ausgebaut und auf die spezifischen Bedürfnisse von Betroffenen ausgerichtet werden. Rörig fordert mehr Kassensitze für Psychologische Psychotherapeut_innen und Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutinnen und -therapeuten, eine flexible Gestaltung der Therapien, alternative Therapieformen wie Tanz- oder Kunsttherapien sowie spezifische Angebote für komplex traumatisierte Betroffene, wie es auch von Betroffenen immer wieder gefordert werde.
Rörig verweist dabei auch auf das Opferentschädigungsgesetz (OEG). Höhere Therapiekontingente und alternative Therapieformen sollten Betroffenen endlich auch im Rahmen des OEG gewährt werden, dessen Reform seit Jahren gefordert wird. Ein neuer Gesetzentwurf müsse jetzt unmittelbar nach Beginn der neuen Legislaturperiode eingebracht werden. Bis zum Inkrafttreten eines reformierten OEG müsse das sog. Ergänzende Hilfesystem (EHS) für Betroffene im institutionellen Bereich und auch der Fonds Sexueller Missbrauch (FSM) für im familiären Bereich Betroffene weitergeführt werden. Sollte die Reform hinter den Erwartungen bei den Verbesserungen für Betroffene zurückbleiben, so sei über eine Fortführung des EHS und des FSM auch nach einer Reform des OEG nachzudenken.
Rörig: „Die Haltung der Politik der 19. Legislaturperiode wird ein deutlicher Seismograph dafür sein, ob der Kampf gegen sexuelle Gewalt ernst genommen wird und es uns endlich gelingt, Missbrauch einzudämmen und Betroffenen zeitnah und passgenau zu helfen.“
Hilfe und Informationen für Betroffene, Angehörige, Ärzte- und Therapeutenschaft und weitere Interessierte zum Thema sexueller Kindesmissbrauch:
Hilfetelefon Sexueller Missbrauch: 0800 22 55 530 (kostenfrei und anonym)
Hilfeportal Sexueller Missbrauch: www.hilfeportal-missbrauch.de
* Zentrum für Traumaforschung (ZTF) Ulm www.uni-ulm.de/med/zentrum-fuer-traumaforschung-ulm/ , Sprecher für den Bereich Psychotrauma Prof. Dr. Jörg M. Fegert
Quelle:Pressemitteilung des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs vom 06.04.2017
Gesamten Beitrag lesen | Make a Comment ( None so far )Studie zu Misshandlung, Vernachlässigung, sexuellem Missbrauch und den Folgen – Keine Entwarnung bei sexueller Gewalt an Mädchen und Jungen
Anlässlich des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Ulm fand am 13.03.2017 eine Pressekonferenz zum Thema „Kindesmissbrauch und die Spätfolgen“ statt bei der eine Studie zu Misshandlung, Vernachlässigung, sexuellem Missbrauch und den Folgen vorgestellt wurde.
Das Kompetenzzentrum Kinderschutz in der Medizin an der Klinik für Kinder- und Jungendpsychiatrie und Psychotherapie der Universitätsklinik Ulm hat für die Deutsche Traumastiftung eine repräsentative Studie zur Häufigkeit von Kindesmisshandlung, Vernachlässigung und sexuellem Missbrauch durchgeführt.
Die erstmals in der Pressekonferenz vorgestellten Daten, die mit einem standardisierten, weltweit eingesetzten Fragebogen erhoben wurden, zeigen, dass es keinen Grund zur Entwarnung bei sexueller Gewalt an Mädchen und Jungen gibt. Eine vergleichbare Studie hatte es zuletzt 2011, kurz nach dem sogenannten „Missbrauchsskandal“, durch das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen gegeben.
Informationsmaterial zur Pressekonferenz „Kindesmissbrauch und Spätfolgen“
- Factsheet „Studie zu Misshandlung, Vernachlässigung, sexuellem Missbrauch und den Folgen“
- Factsheet „Häufigkeitsangaben zum sexuellen Missbrauch“
- Child Trauma Questionaire
- Traumaforschung in Ulm
- Publikation „Auswirkungen von Missbrauch, Misshandlung und Vernachlässigung im Kindesalter auf die psychische und physische Gesundheit im Erwachsenenalter“
Quelle: Zentrum für Traumaforschung Ulm
Gesamten Beitrag lesen | Make a Comment ( None so far )Verbesserter Schutz vor Gewalt für Mädchen und junge Frauen mit Behinderung bzw. chronischer Erkrankung – Online-Informations- und Hilfeangebot
Mädchen und Frauen mit Behinderung sind besonders häufig Opfer von Gewalt. So werden beispielsweise Frauen mit geistigen oder körperlichen Einschränkungen zwei bis dreimal häufiger Opfer von sexualisierter Gewalt als der Durchschnitt der weiblichen Bevölkerung. Im Rahmen eines vom Land NRW geförderten Projekts bietet das bundesweit einzigartige Internetportal www.mädchensicherinklusiv-nrw.de Informationen und Hilfeangebote für Mädchen und junge Frauen mit Behinderung/chronischer Erkrankung und vermittelt Beratung per Chat, E-Mail oder Telefon.
Das Portal ist ein leicht zugängliches Hilfe- und Beratungsangebot, dass sehr genau an den Bedürfnissen und Bedarfen der Zielgruppe orientiert ist. Es unterstützt die Selbstbestimmung von Mädchen und jungen Frauen mit Behinderung/chronischer Erkrankungen und trägt zu ihrem verbesserten Schutz vor Gewalt bei. Nicht nur die Inhalte sind auf die Lebenswirklichkeit der Nutzerinnen abgestimmt, sondern auch die verschiedenen Formen der Darstellung. Damit möglichst viele Betroffene das Portal nutzen können, sind die Angebote auch in Leichter Sprache und auf Türkisch beziehungsweise als Videos in Gebärdensprache verfügbar. Ein weiterer wichtiger Baustein des Projekts ist die Beratung per Chat, E-Mail oder Telefon. Damit haben Betroffene einen direkten Draht zu den Hilfeangeboten. Das stärkt ihre Unabhängigkeit und Selbstbestimmung.
www.mädchensicherinklusiv-nrw.de
Gesamten Beitrag lesen | Make a Comment ( None so far )Kino-Tipp: Die Hände meiner Mutter
Am 1. Dezember startet der neue Film des Regisseurs Florian Eichinger über den sexuellen Missbrauch eines Jungen durch seine Mutter. Eichinger, der auch das Buch zu der Geschichte geschrieben hat, antwortet auf die Frage, wie er zu dem Thema gekommen ist: »Bei der Recherche zu einem anderen Film bin ich im Internet zufällig auf einen anonymen Erfahrungsbericht gestoßen, der mich sehr fasziniert hat. Ein paar Klicks später wusste ich, dass der Beauftragte der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Missbrauchs den Anteil von Frauen unter den Tätern immerhin auf 10-20% beziffert, bei enorm hoher Dunkelziffer.«
Johannes Wilhelm Röhrig, der Unabhängige Beauftragte für die Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, sagt über den Film:
»Die Hände meiner Mutter zeigt ohne jeden Voyeurismus eindrücklich und bewegend, was es heißt, als Junge von der eigenen Mutter missbraucht zu werden. Dass auch Frauen Täterinnen sein können, ist eines der größten gesellschaftlichen Tabus. Der Film zeigt, wie sexueller Missbrauch über Jahre und Jahrzehnte hinweg verdrängt werden – und mit welcher Wucht er plötzlich erinnert und erneut ins eigene Leben eingreifen kann.«
Die deutsche Film- und Medienbewertung hat den Film mit dem Prädikat »besonders wertvoll« ausgezeichnet: »Die Hände meiner Mutter ist eine überzeugende, beeindruckende und tief bewegende Auseinandersetzung mit einem schwierigen Thema. Ein wichtiger, kluger und reflektierter Film, der Mut machen kann, über solch ein Thema zu reden. Denn das Schlimmste, was man tun kann, ist Schweigen.« Die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft FSK hat den Film ab 12 Jahren freigegeben.
Quelle: Pressemeldung von farbfilm-verleih GmbH, Berlin, 14. Oktober 2016
Gesamten Beitrag lesen | Make a Comment ( None so far )Missbrauchsbeauftragter und Betroffenenrat fordern verbesserte Therapieangebote für Betroffene von sexuellem Kindesmissbrauch
Berlin, 06.04.2016. Anlässlich des Weltgesundheitstages am 07.04. und der aktuellen Überarbeitung der Psychotherapie-Richtlinie hat der Betroffenenrat den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) und das Bundesgesundheitsministerium (BMG) aufgefordert, die psychotherapeutische Versorgung für Betroffene von sexualisierter Gewalt zu verbessern. Hierzu hat der Betroffenenrat einen Forderungskatalog zur Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung von durch (sexualisierte) Gewalt traumatisierte Menschen erstellt, der am 06.04.2016 veröffentlicht wurde.
Betroffenenrat: „Die ambulante psychotherapeutische Versorgung für durch sexualisierte Gewalt in der Kindheit schwer traumatisierte Menschen ist unzureichend. Betroffene warten lange auf einen Therapieplatz oder werden auf Grund der Komplexität des Krankheitsbilds schon von vornherein abgelehnt. Wer einen der wenigen Therapieplätze bei speziell weitergebildeten Traumatherapeut_innen ergattert hat, muss befürchten, die Therapie nach Erschöpfung der für diese Krankheitsbilder zu eng bemessenen Kontingente mittendrin unterbrechen oder beenden zu müssen, oder sich in eine lange und kraftraubende Auseinandersetzung mit der Krankenkasse begeben. Wir fordern daher unter anderem eine Reform der Bedarfsplanung, eine Flexibilisierung der Therapiekontingente bei komplexen Traumafolgestörungen sowie eine Verbesserung der Ausbildung für alle Berufsgruppen, die im Gesundheitssystem mit traumatisierten Menschen in Kontakt stehen.“
Der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, unterstützt das Anliegen des Betroffenenrates. Rörig hat den G-BA aufgefordert, anlässlich der aktuellen Überarbeitung der Psychotherapie-Richtlinie die berechtigten Interessen Betroffener sexueller Gewalt in der Kindheit zu beachten. Verbesserungen bei der gesundheitlichen Versorgung dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass nach wie vor große Defizite in der psychotherapeutischen Versorgung von Betroffenen bestehen. Bis heute werden Betroffene von sexueller Gewalt oft nicht zeitnah und passgenau versorgt. Es fehlt weiterhin an einer niedrigschwelligen Struktur bei der Suche nach geeigneten Therapiemöglichkeiten, es gibt nur wenige spezialisierte Therapeuten und nach wie vor mangelt es an traumaspezifischen Aus- und Fortbildungsinhalten für Psychotherapeuten.“
Den Forderungskatalog des Betroffenenrates wertet Rörig als ein wichtiges Signal an die gesundheitspolitischen Entscheider, die Interessen Betroffener bei der Überarbeitung der Psychotherapie-Richtlinie jetzt ausreichend zu berücksichtigen. Rörig: „In Deutschland sind nach neuesten Schätzungen rund 1 Million Kinder von sexueller Gewalt betroffenen. Sexueller Missbrauch ist eines der schlimmsten Verbrechen an Kindern, oft mit schwerwiegenden Folgen, auch noch im späten Erwachsenenalter. Viele Betroffene leiden unter komplexen Traumafolgestörungen wie Depressionen, Suizidgedanken, Essstörungen, Beziehungsabbrüchen, Dissoziationen oder Flashbacks. Betroffene brauchen deshalb zeitnah und oftmals auch andauernde professionelle Hilfe. Diese Hilfe müssen wir als Gesellschaft sicherstellen.“
Quelle: Pressemitteilung des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs vom 06.04.2016
Gesamten Beitrag lesen | Make a Comment ( None so far )Bundesfamilienministerium hebt Antragsfrist beim „Fonds Sexueller Missbrauch“ auf
Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) hat am 29.03.2016 auf der Website des „Fonds sexueller Missbrauch“ (FSM) bekannt gegeben, dass Betroffene, die Kindesmissbrauch im familiären Umfeld erlitten haben, nun auch noch über den 30. April 2016 hinaus Anträge auf Hilfeleistungen an die Geschäftsstelle des FSM richten können. (wir berichteten)
Dies begrüßt der Unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs Johannes-Wilhelm Rörig in seiner Pressemitteilung vom 29.03.2016
Gesamten Beitrag lesen | Make a Comment ( None so far )Anträge an den Fonds „Sexueller Missbrauch“ noch bis zum 30.04. möglich
Die Antragsfrist zur Erlangung von Mitteln aus dem „Fonds Sexueller Missbrauch“ endet zum 30. April 2016. Diese Hilfen können auch für Pflegekinder, die sexuellen Missbrauch im familiären Kontext erlebt haben, beantragt werden. (Menschen, die sexuellen Missbrauch im institutionellen Kontext erlebt haben, können ihre Anträge noch bis zum 31. August 2016 stellen.)
Im Zuge der Einrichtung eines Ergänzenden Hilfesystems für die Betroffenen von sexuellem Kindesmissbrauch wurde zum 1. Mai 2013 der Fonds „Sexueller Missbrauch im familiären Bereich“ eingerichtet. Er will Betroffenen helfen, die in ihrer Kindheit oder Jugend sexuellen Missbrauch in der Familie oder im familiennahen Umfeld erlitten haben und noch heute unter dessen Folgewirkungen leiden.
Voraussetzung für Hilfemaßnahmen ist immer, dass ein nachvollziehbarer Zusammenhang zwischen dem sexuellen Missbrauch und den heute noch vorhandenen Folgen zu erkennen ist und dass die Tat vor Mai 2013 und auf dem Gebiet der BRD bzw. der ehemaligen DDR begangen wurde. Zudem müssen die vom Sorgerechtsinhaber zu beantragenden Hilfen dazu geeignet sein, die noch andauernden Folgen des Missbrauchs zumindest zu mindern.
Es können Sachleistungen wie z.B. Therapien, aber auch Kostenerstattung im Zusammenhang mit der Aufarbeitung des Missbrauchs beantragt werden. Auch wenn Hilfeleistungen aus dem bestehenden Sozialrechtssystem unangemessen verzögert gewährt werden, kann der Fonds in Vorleistung treten, solange eine Übernahme der Kosten durch den betroffenen Kostenträger zu erwarten ist.
Der Aktivverbund e.V. ist in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Intervention bei Kindesmisshandlung und -vernachlässigung e.V. (DGfPI) bundesweite Beratungstelle für berufliche und ehrenamtliche Vormünder, wenn es um die Antragstellung für ihre Mündel geht.
Weitere Informationen zu den Regelungen des Fonds und zum Ergänzenden Hilfesystem sowie über Beratungsstellen in allen Bundesländern erhalten Sie unter der kostenlosen, anonymisierten Telefonnummer 0800 400 105 0 oder auf www.fonds-missbrauch.de
Gesamten Beitrag lesen | Make a Comment ( None so far )Rörig: „Rund 1 Million Kinder sind in Deutschland von sexueller Gewalt betroffen.“
Der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, hat heute in Berlin die Expertise „Häufigkeitsangaben zum sexuellen Missbrauch – Internationale Einordnung, Bewertung der Kenntnislage in Deutschland, Beschreibung des Entwicklungsbedarfs“ sowie den Forderungskatalog „Forschung zu sexuellem Missbrauch – Vom Tabu zur gesamtgesellschaftlichen Aufgabe“ vorgestellt, in dem mehr Investment in Forschung, Vernetzung mit der Praxis, Partizipation von Betroffenen sowie Nutzen von Forschungswissen für Aus-, Fort- und Weiterbildung gefordert wird.
Bisher fehlt es in Deutschland an validen Zahlen zur Häufigkeit von sexuellem Missbrauch oder zur Differenzierung nach Geschlecht. Ein Vergleich der vorliegenden Hell- und Dunkelfeldstudien ist aufgrund unterschiedlicher Definitionen und Studiendesigns kaum möglich, Entwicklungen und Tendenzen, ob Missbrauch zu- oder abnimmt und welche Faktoren hier möglicherweise eine Rolle spielen, sind so kaum zu benennen.
Wichtige Ergebnisse: Mädchen sind weitaus häufiger betroffenen als Jungen. Die meisten Kinder erleiden neben sexueller Gewalt auch weitere Gewaltformen.
Gesamten Beitrag lesen | Make a Comment ( None so far )Aufarbeitungskommission Kindesmissbrauch startet noch im Januar

Die Mitglieder der „Aufarbeitungskommission Kindesmissbrauch“, v.l.n.r.: Dr. Christine Bergmann, Prof. Dr. Jens Brachmann, Brigitte Tilmann, Prof. Dr. Sabine Andresen (Vorsitzende der Kommission), Prof. Dr. Peer Briken, Prof. Dr. Barbara Kavemann, Prof. Dr. Heiner Keupp – © Christine Fenzl
Der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, hat die sieben Mitglieder für die Aufarbeitungskommission Kindesmissbrauch berufen. Damit kann erstmals eine auf nationaler Ebene angesiedelte unabhängige Kommission sexualisierte Gewalt an Kindern in Deutschland umfassend aufarbeiten.
Die Vorsitzende der Kommission, Prof. Dr. Sabine Andresen: „Mit der Kommission ergibt sich die große und auch international einzigartige Chance, die Dimensionen des sexuellen Kindesmissbrauchs in Familien und Institutionen aufzudecken und so einen Beitrag auch für Kinder und Jugendliche heute zu leisten.“
Kindliche Sexualität: neue Ausgabe „frühe Kindheit“ erschienen
Zu dem Themenschwerpunkt „Kindliche Sexualität – Zwischen sexueller Bildung und Schutz vor Missbrauch“ ist die neue Ausgabe der Zeitschrift „frühe Kindheit“ erschienen. Sie beinhaltet die Dokumentation der gleichnamigen Jahrestagung 2015 der Deutschen Liga für das Kind.
Das Heft enthält Beiträge u. a. von Johannes-Wilhelm Rörig („Schutzkonzepte in der Kita. Sensibilisierung, Orientierung, Handlungskonzepte gegen sexualisierte Gewalt“), Karin Grossmann („Verführung zu unfreiwilliger Sexualität in Bindungs- und vertrauten Beziehungen“), Ulli Freund („Pädagogischer Umgang mit sexuellen Übergriffen unter Kindern. Eine Facette des Kinderschutzes im Kita-Alltag“), Mechthild Wolff und Meike Kampert („Schutz und Sicherheit in Erziehungs- und Bildungsinstitutionen. Vertrauen und Misstrauen in pädagogischer Beziehungsarbeit“), Anja Henningsen („Kindertag esstätten als Orte sexueller Bildung: Kinder schützen, fördern und begleiten“), Stefanie Amann („Trau dich! Bundesweite Initiative zur Prävention des sexuellen Kindesmissbrauchs“), Bettina Schuhrke („Die psychosexuelle Entwicklung des Kindes. Eine Betrachtung aus der Perspektive empirischer Forschung“), sowie ein Interview mit Jörg M. Fegert, Ärztlicher Direktor und Gründer der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie des Universitätsklinikums Ulm („Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) streicht in ihrem Report zur europäischen Region heraus, dass Prävention und verbesserte Intervention in den Bereichen Vernachlässigung, Misshandlung und Missbrauch zu den zentralen Herausforderungen im Gesundheitswesen gehören“).
Das Heft kann bei der Geschäftsstelle der Deutschen Liga für das Kind zum Preis von 6,- Euro (zzgl. Versandkosten) bestellt werden.
Gesamten Beitrag lesen | Make a Comment ( None so far )Erster „Europäischer Tag zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch“ am 18.11.
Missbrauchsbeauftragter Rörig fordert mehr Investition in Prävention: „18 Millionen Kinder sind laut Weltgesundheitsorganisation WHO in Europa von sexueller Gewalt betroffen. Allein in Deutschland wurden im vergangenen Jahr über 14.000 Kinder als Opfer sexueller Übergriffe erfasst. Alle europäischen Mitgliedstaaten sind aufgefordert, vor dem Problem nicht zurückzuschrecken, sondern Lösungen zu finden, wie Kinder besser geschützt werden können. Der Europäische Tag zum Schutz der Kinder vor sexueller Gewalt sollte dazu beitragen, das Problembewusstsein zu schärfen und nationale wie europaweite Aktivitäten besser zu vernetzen und bekannt zu machen.“
Berlin, 17.11.2015. Der Europäische Tag zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch geht auf eine Initiative des Europarates vom Mai dieses Jahres zurück. Mit zahlreichen Aktivitäten vor Ort und über die sozialen Netzwerke soll in den Mitgliedstaaten die Diskussion über den Schutz von Kindern vor sexueller Gewalt angeregt und ein Beitrag dazu geleistet werden, der Stigmatisierung von Opfern entgegenzuwirken. Mit der Einsetzung dieses Tages will der Europarat auch die Umsetzung der Lanzarote-Konvention unterstützen, die seine Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, alle Formen sexueller Gewalt an Kindern zu verurteilen und dagegen anzukämpfen.
Johannes-Wilhelm Rörig, Unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, begrüßt die Initiative des Europarates und die darin formulierten Ziele: „Es ist wichtig, mit diesem Europäischen Tag auf die tragische Tatsache hinzuweisen, dass sexuelle Ausbeutung und sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen europäische Realität ist. Die Rechte von Mädchen und Jungen werden dadurch tagtäglich aufs Schwerste verletzt. Wir müssen auf nationaler und europäischer Ebene dringend weiter an Lösungen arbeiten und den Schutz der Kinder und Jugendlichen vor sexueller Gewalt verbessern.“ Für Rörig kommt der Prävention in Einrichtungen und Organisationen hierbei eine Schlüsselrolle zu: „Wir müssen alle Kitas, Schulen, Sportvereine oder Kirchengemeinden dafür gewinnen, Schutzkonzepte zu entwickeln und tagtäglich anzuwenden. Mit Schutzkonzepten stellen sich die Einrichtungen und Organisationen ihrer Verantwortung, zu Orten zu werden, an denen Kinder und Jugendliche vor sexuellem Missbrauch geschützt sind und Hilfe finden. Hier braucht es noch viel mehr politisches und gesellschaftliches Engagement und einen verstärkten finanziellen und personellen Ressourceneinsatz! Prävention ist einer der zentralen Bausteine für gelingenden Kinderschutz!“
Auch für Flüchtlingsunterkünfte fordert Rörig entsprechende Standards. „Die Übergriffe auf Flüchtlingskinder in den letzten Wochen haben gezeigt, wie leicht es für Täter ist, sich Kindern zu nähern, und wie gezielt sie vorgehen. Bei aller Anstrengung, überhaupt ausreichend Unterkünfte für Flüchtlinge bereit zu stellen, dürfen wir den Schutz der geflüchteten Mädchen und Jungen vor Gewalt nicht aus dem Blick verlieren. Es ist notwendig, mit Nachdruck daran zu arbeiten, dass Flüchtlingsfamilien und besonders alleinstehende Mütter mit Kindern einen besonderen Schutz bei der Erstregistrierung und in den Flüchtlingsunterkünften erfahren. Notwendig sind klare Strukturen und Regeln.“
Am 20. November – dem Jahrestag der Verabschiedung der UN-Kinderrechtskonvention aus dem Jahr 1989 – wird auch der Internationale Tag der Kinderrechte zum wiederholten Mal begangen. Rörig begrüßt, dass Bundesfamilienministerin Schwesig heute die Monitoring-Stelle zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention beim Deutschen Institut für Menschenrechte eröffnen wird, die bereits seit 1992 vom UN-Kinderrechtsausschuss gefordert wird.. Rörig: „Noch immer werden Kinder in Deutschland nicht ausreichend beteiligt, gefördert und geschützt. Noch immer gehört sexueller Missbrauch zu einem Grundrisiko in der Kindheit. Kinderrechte müssen in Deutschland weiter bekannt gemacht werden. Die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz wäre ein weiterer wichtiger Schritt, um Kindern in unserem Land endlich mehr Schutz, Gehör und Rechte zu verschaffen.“
Der Europäische Tag zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch stößt auch auf große Zustimmung beim Betroffenenrat, der im März beim Unabhängigen Beauftragten eingerichtet wurde: „Endlich gibt es mit dem 18. November den Tag für den Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch. Er liegt nur zwei Tage vor dem Jahrestag der UN-Kinderrechtskonvention am 20. November und nur eine Woche vor dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen und Mädchen am 25. November. Diese Zeitspanne muss als Aktionswoche genutzt werden, um den Schutz der Mädchen und Jungen vor sexueller Gewalt stärker in das gesellschaftliche Bewusstsein zu bringen!“
Quelle: Pressemitteilung des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs vom 17.11.2015
Gesamten Beitrag lesen | Make a Comment ( None so far )Gesetz zum besseren Schutz vor sexuellem Missbrauch in Kraft getreten
Das Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht wurde am 26. Januar 2015 im Bundesgesetzblatt verkündet.
„Das Kinder künftig noch besser vor sexualisierter Gewalt geschützt werden, ist ein richtiges und wichtiges Signal,“ sagte Bundesminister Heiko Maas. „Denn wir stehen in der Pflicht, gerade die Schwächsten in unserer Gesellschaft, nämlich unsere Kinder, davor zu schützen, Opfer von Sexualstraftaten zu werden.“
Werden Nacktbilder von Kindern und Jugendlichen zu kommerziellen Zwecken hergestellt oder anderen angeboten werden, ist dies nunmehr strafbar. „Damit stellen wir noch einmal eindeutig klar: Mit dem Körper von Kindern und Jugendlichen darf niemand Geld verdienen“, erläuterte Maas. Zugleich betonte er, dass auch künftig sozial übliches und alltägliches Verhalten straffrei bleibe. Es werde nichts kriminalisiert, was zum Alltag vieler Eltern gehöre, wie zum Beispiel das Fotografieren ihrer Kinder am Strand.
Zudem ist künftig auch die unbefugte Verbreitung von Bildaufnahmen, die geeignet sind, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden, unter Strafe gestellt. Damit sorgen die Neuregelungen auch für einen besseren Schutz vor sog. „Cybermobbing“.
Und: Sexualstraftaten werden künftig später verjähren. Opfer von Sexualtaten sind oftmals stark traumatisiert und benötigen Zeit, um das Geschehene zu verarbeiten. Wir sorgen jetzt dafür, dass die strafrechtliche Verjährung bei Sexualdelikten, insbesondere beim sexuellen Kindesmissbrauch, erst mit Vollendung des 30. Lebensjahres des Opfers beginnt. Damit können alle schweren Sexualdelikte zukünftig nicht mehr vor der Vollendung des 50. Lebensjahrs des Opfers verjähren.
Der beste Opferschutz bleibt die Prävention. Deswegen unterstützen wir das Präventionsnetzwerk „Kein-Täter-Werden“. Die Mittel hierfür werden in diesem Jahr um 148.000 Euro auf 535.000 Euro erhöht. Für 2015 ist eine weitere Erhöhung auf 560.000 € und für 2016 auf 585.000 € vorgesehen.
Das Bundesgesetzblatt vom 26. Januar 2015 finden Sie hier
Quelle: Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschu vom 28.01.2015
Gesamten Beitrag lesen | Make a Comment ( None so far )Studie: 13 Prozent der Mädchen unter 15 Jahren von sexueller Gewalt betroffen
Frauen bundesweit nur sehr schlecht über Initiativen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen informiert
zwd Berlin (sv/ticker). Der Anteil der Frauen zwischen 15 und 74 Jahren in Deutschland, die körperliche oder sexuelle Gewalt erlebt haben, liegt mit 35 Prozent leicht über dem EU-Durchschnitt von 33 Prozent. Dies geht aus der Studie „Gewalt gegen Frauen“ von 2014 hervor, die Joanna Goodey von der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte am 04.02.2015 vor dem Familienausschuss des Bundestages vorstellte. Zudem haben 13 Prozent der Mädchen unter 15 Jahren bundesweit sexuelle Gewalt erlebt – im Vergleich zu 12 Prozent in der EU.
Mit 60 Prozent liegen Frauen in Deutschland auch bei sexueller Belästigung über dem EU-Durchschnitt von 55 Prozent. Laut der Umfrage sind Frauen bundesweit aber nur sehr schlecht über Kampagnen und Initiativen informiert, die das Ziel haben, Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen. Nur 23 Prozent der Frauen über 15 Jahren kennen solche Programme. Damit liegt Deutschland unter den 28 Mitgliedstaaten der EU auf einem der letzten drei Plätze.
Für die von Goodey präsentierte Studie wurden 42.000 Frauen nach dem Zufallsprinzip ausgewählt und in zweistündigen Interviews befragt.
Quelle: Zweiwochendienst Frauen & Politik vom 05.02.2015
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